Für jemanden, der weiß, dass ich bereits Beiträge über Acid und auch über Harthouse geschrieben hat, muss diese Folge befremdlich vorkommen. Hardfloor in der Serie Unknown Territory?
Unknown Territory ist eine Serie, wo ich musikalisch über den Tellerrand hinausschaue. Ich entdecke Musik, die mir zwar geläufig ist, wo ich aber bisher nie die Zeit fand, mich intensiver damit zu beschäftigen. Ich werde dabei in die Vergangenheit eintauchen und wenn möglich auch einen Bezug zur Gegenwart herstellen.
Hardfloor gehört für mich zum Basiswissen in Sachen Acid. Ich kenne so viele Stücken von den beiden. Angefangen mit Acperience 1, Into the nature, Beavis at bat, um nur einige zu nennen. Dazu kommen Remixe für Mori Kante oder Anne Clark. Aber wenn ich einen Blick in meine Sammlung werfe, finde ich da gerade mal drei CDs – die 1994 erschienene Funalogue, der Remix von Our Darkness für Anne Clark und ihren Beitrag Jack The Box für die X-Mix-Serie. Dazu kommen noch unzählige Tracks auf diversen Compilations.
Also wird es höchste Zeit für mich, diesen Missstand aufzuarbeiten und eine Nachhilfestunde in Sachen Acid zu nehmen. Und das Schlimme daran ist, dass es hier nicht nur darum geht, ein paar Alben zu hören und dann einen Haken dran zu machen. Für mich geht es hier echt darum, große Lücken in meiner Plattenkiste zu füllen.
Doch bevor ich anfange, muss ich noch ein Wort zum Titelbild loswerden. Gibt man einem KI-Bildgenerator den Begriff Hardfloor vor, kommt einfach nur ein Zimmer mit Fußboden. Erweitert man das noch um den Begriff Acid, kommen solche bunten Bilder heraus. Viel Spaß!
Hardfloor
Was an Hardfloor positiv auffällt, ist die Besetzung. Seit Anbeginn der Zeiten sind Hardfloor das Duo aus Ramon Zenker und Oliver Bondzio. Während Oliver… ich sage es mal so… eher das unbeschriebene Blatt ist, hat Ramon Zenker eine ellenlange Liste von Projekten vorzuweisen, wo er seine Finger mit im Spiel hatte: Interactive (Who Is Elvis?), Phenomenia oder Perplexer (Acid Folk). Aber wir dürfen uns auch bei Ramon Zenker für folgende Dance-Projekte bedanken: Fragma, Paffendorf und Bellini (Samba De Janeiro).
Das sollte jetzt kein Bashing werden, sondern ich schaue mich nur mal gerne um und versuche vielleicht Musik zuzuordnen, die ich eventuell schon kenne. Und ähnliche Namen bedeuten nicht zwangsläufig, dass die gleichen Künstler dahinter stecken. So haben Bellini und The Great Bellini’s nichts miteinander gemeinsam, denn letzteres ist ein Projekt von Marc Trauner (aka Marc Arcadipane). Naja, vielleicht doch, denn es erschien von den Bellini Bros eine Scheibe Samba De Janeiro, was eine Hardcore-Version von dem bekannten Original ist. Aber ich schweife ab…
TB Resuscitation (1993)
Ihr Debüt hatten Hardfloor auf Eye Q Records. Dort erschienen zwei Scheiben und glaubt man den Gerüchten, wurde das Label Harthouse nicht zuletzt wegen Hardfloor gegründet. Mit ihrem Acid-Sound waren sie schon sehr trancig, aber doch ein bisschen zu tough für den Eye Q Sound. Mit der Acperience, die schon 1992 erschien, setzten sie den Maßstab für die Zeit.
Deswegen folgte dann mit TB Resuscitation relativ schnell das erste Album der beiden. Ich weiß nicht, ob Ramon Zenker und Oliver Bondzio maßgeblich vom Eye Q Sound beeinflusst wurden, aber bis auf den Drug Overlord Remix, sind zwar alle Stück acidlastig, aber trancig kommen nur ungefähr die Hälfte der Stücke rüber. Der Rest zieht Referenzen in Richtung House oder Techno.
Was sofort und initial bei mir zündet, sind die TB-303s, die sich in vielen Schichten übereinander stapeln. Deswegen macht es immer wieder Spaß, die Tracks in Wiederholung zu hören und dabei jedes Mal einem anderen Layer zu folgen und zu hören, wie er moduliert.
Respect (1994)
Ich kenne ja viele ihrer Stücke ja von den Harthouse-Compilations. Und da hatte mich immer der Bruch Mitte der 1990er gestört. Höre ich mir aber ihre Werk chronologisch an und lasse jetzt mal die Funalogue weg, ergibt plötzlich alles einen Sinn.
Würde ich von früh bis spät nur mit einem Typ Synthesizer arbeiten, hätte ich spätestens nach einem halben Jahr die Nase voll. Ich würde beginnen, diese Sounds mit anderen zu kombinieren, oder so sehr zu verfremden, dass es schwer fällt, diesen noch zu erkennen.
Genau das passiert auf der Respect. Selbstverständlich finde ich auch hier schöne 303-Basslines, aber auch jaulende 303s oder auch Tracks, wo die 303 nur das Sahnehäubchen ist. Hardfloor loten also die Grenzen aus. Wie weit kann man Acid treiben? Und mit was kann man Acid fusionieren?
Home Run (1996)
Initial hörten Hardfloor für mich an dieser Stelle mit ihrem Sound auf. Nein, die Home Run ist die konsequente Fortsetzung ihres Experiments. Und wer die Grenzen abtastet, entdeckt auch Neues. Also so wie ich mit Unknown Territory, nur in Kurzfassung. So ist DaDamnPhreakNoizePhunk?, welches ein Jahr zuvor erschien eigentlich nur die Vorbereitung für die Home Run.
Für mich ist DaDamnPhreakNoizePhunk? kein Stilbruch, sondern ein Prototyp für die Home Run. So als würde ich ein Kochbuch durchprobieren und danach feststellen, dass Koriander zu den Gerichten dazu gehört, aber mir nicht schmeckt. Dafür dann auch einen anderen Projektnamen zu wählen, ist dann nur legitim. Wir haben mal geschaut, was geht. Und die Home Run ist dann die Essenz des Ganzen.
Natürlich findet sich auch hier die 303 wieder, aber auch viele Stücke, wo Hardfloor einfach mal ausbrechen und einfach nur Techno produzieren. Damit reiht sich die Home Run natürlich im kleinen Rahmen in das ein, was ich schon in der Folge über Harthouse geschrieben hatte – man suchte ab Mitte der 1990er einen Weg aus dem eingefahrenen Sound.
All Targets Down (1998)
Was auf der All Targets Down passierte und damit fünf Jahre nach ihrem Debütalbum, ist das was den Sound von Hardfloor nachhaltig beeinflusste. Im gleichen Jahr erschien auch Jack The Box, ihr Mix für die X-Mix-Serie. Und deswegen muss ich diesen Umweg kurz nehmen, damit man dieses Album versteht.
Auf der Jack The Box huldigen Hardfloor den Gründern des Acid-Sounds. Namen wir Phuture, Adonis und Sleazy D. finden sich dort. Und genau diese Back To The Basics findet sich auf der All Targets Down wieder. Nur im Hardfloor Style. Sodass das Album gleichzeitig eine Weiterentwicklung ist, aber auch soundtechnisch an den früheren Alben anknüpft.
Auch das Album ist noch auf Harthouse erschienen. Jedoch war zu der Zeit Eye Q schon insolvent und Harthouse wurde von der Undercover Music Group (UCMG) aufgekauft.
The Live We Choose (2007)
Ich beginne jetzt mal ein paar Sachen zu überspringen. So auch die So What?! die 2000 auf Harthouse erschien und ihr erstes Album Four Out Of Five Aliens Recommend This auf ihrem Label Hardfloor. Auf der 2007er The Live We Choose machen die beiden klar, dass es jetzt zu spät ist, mit Acid aufzuhören. Das bringt auf der einen Seite keine Überraschungen. Aber andererseits auch ein bisschen Enttäuschung, weil letztlich nichts mehr passiert.
Da die TB-303 ein universelles Instrument ist, das mit seinem Sound sehr signifikant ist, lässt es sich mit vielen Stilen der elektronischen Musik kombinieren. 303 in der Lounge – geht! Im Club ja sowieso. Deswegen ist mein Favorit auf diesem Album der Titeltrack, der die 303 auf einen Electro-Beat legt.
The Business Of Basslines (2017)
Manchmal erscheint mir Musik machen wie ein Softwareentwicklung. Wenn du jung bist, probierst du jedes neue Tool aus, willst immer die neuste Version haben. Am besten noch die Beta-Versionen, damit du ganz vorn mit dabei bist. Aber so nach 20 Jahren ist dir das dann doch alles zu viel. Du kennst die Tools mit denen du am schnellsten die besten Ergebnisse erzielen kannst. Du bist vielleicht nicht mehr so schnell wie früher und so innovativ, aber extrem effektiv.
Lange Vorrede für das 2017er Album The Business Of Basslines und damit das aktuell letzte Album von Hardfloor. Große Unterschiede zu den vorherigen Alben finde ich nicht mehr. Aber dafür gibt es auch nichts zu meckern. Die Jungs beherrschen die 303 im Schlaf und würden vermutlich einen besseren Sound hinbekommen, wenn ich sie aus dem Schlaf reiße, als wenn ich mich zwei Wochen hinsetze und herumtüftle.
Somit ist die Business Of Basslines grundsolider Acid mit unterschiedlichen Schattierungen. Außerdem feiert das Album retrospektiv ihr 25th Acidversary.
Fazit
Was war: Hardfloor waren für mich schon immer Acid. Ich wollte nur besser verstehen, was Mitte der 1990er passiert ist, als die Home Run erschien. Und überhaupt hatte ich musikalisch eine gewaltige Lücke.
Was ist: Hardfloor sind Acid. Ich war aber auch nicht überrascht, dass sich der Sound seit der Jahrtausendwende nicht mehr signifikant verändert hat.
Was wird: Hardfloor werden auch immer Acid sein. Nach dem Erscheinen der limitierten Ausgabe von Acperience 1 wäre eine Fusion von Vergangenheit und Zukunft nicht schlecht. Vielleicht mal wieder ein etwas tranciger Rückblick. Natürlich nicht cheesy, sondern vielleicht auch mal mit einem Blick Richtung Goa-Trance.