Heima (sprich: Heyma) bedeutet „zu Hause“… So fühlten wir uns, nachdem wir eine Woche Island hinter uns hatten. Auf der einen Seite hat man diese unglaubliche Landschaft, aber gleichzeitig ist man diesem rasanten Wetterwechsel unterworfen. Mal Sonne, mal Wind, mal Regen. Und trotzdem… schön!
Island hat keine Sommerzeit – warum auch? Es ist ohnehin im Sommer den ganzen Tag hell. Also flogen wir 14 Uhr in Frankfurt los und landeten in Keflavik um 15.30 Uhr – 3:30 Stunden Flugzeit. Als wir beim Anflug waren, wunderten wir uns – bei 1.000m Höhe tauchten wir in die Wolken, bei 500m – immer noch Wolken, bei 200m – immer noch Wolken. Erst kurz vor der Landung sah man Land. Es war neblig, es nieselte und die braun-grüne flache Umgebung sah wenig einladend aus.
Wir warteten eine gefühlte Ewigkeit, bis wir unseren Mietwagen übernehmen konnten. Keine Größe, aber ideal für unsere Zwecke – ein Toyota Yaris. Nachdem mein Kreislauf mal kurz schlapp machte, mussten wir unseren ersten Stopp in Akranes machen. Es war die erste Übernachtung bei isländischem Wind – böiger Wind, vom Meer kommend und die ganze Nacht am Zelt rüttelnd.
Außerdem nieselte es weiter. Überhaupt war das Wetter sehr merkwürdig. Es wurde die nächsten Tage besser, sonnig warm (ca. 17°C), blieb aber extrem windig. Das führte dazu, dass Sand aus den Bergen aufgewirbelt wurde und die Sicht verschlechterte. Außerdem knirschte es zwischen den Zähnen. Wie uns gesagt wurde, kommt das nur sehr selten vor. Als wir eines morgens den Sandstaub vom Zelt klopften und schnell einpackten, weil ich meinte: „Sieht nach Regen aus“, hatten wir Glück. Kaum war das Zelt verstaut, begann der Regen… 4 Tage und 3 Nächte. Kaum Sicht, Nebel und wenn es abends vorübergehend auflockerte, hieß es morgens bei 4°C bei Regen aufstehen und Zelt abbauen. Die Ausnahme war am Jökulsárlón. Für die Zeit, wo wir dort waren, hatten wir ein Traumwetter. Blauer Himmel, fantastische Wolkenbildung und strahlend blaues Eis.
Ein bisschen Bammel hatten wir wegen Zelten. Offiziell schließen die Zeltplätze Ende August – die Touristensaison ist vorüber. Aber jedes kleine Dorf hat einen Zeltplatz mit einer kleinen Hütte, wo man sich mit kalten Wasser waschen kann (zur Erinnerung: morgens bei 4°C…), eine Waschstelle und eine Toilette – verglichen mit deutschen Raststätten gepflegt. Entweder es kommt jemand vorbei und kassiert oder man kommt so spät auf den Zeltplatz, dass die Rezeption schon geschlossen hat und übernachtet gratis… bei freier Platzauswahl.
Es gibt sehr sehr wenig Leute mit Zelt, die unterwegs sind, schon häufiger sind da Wohnmobile. Die Unterhaltung abends ist natürlich eingeschränkt. Entweder man ist in einer großen Ortschaft (> 60 Einwohner), wo es einen Laden gibt, der Tankstelle, Tante-Emma-Laden und Kneipe in einem ist und kann sich dort noch reinsetzen oder man schläft mit einsetzender Dunkelheit ein. Also gegen 21 Uhr (was 23 Uhr hier wäre). Und dann schliefen wir, bis es hell wurde, meistens Punkt halb 7 Uhr.
Fahren auf Island ist … naja, nennen wir es: interessant. Es gibt immer was zu schauen. Die Ringstraße ist fast durchgehend asphaltiert. Darauf sollte man sein Augenmerk legen. Die Isländer bezeichnen eine Schotterpiste, die aussieht wie ein Waschbrett und sich auch so fährt, ernsthaft als Straße. Und wenn eine asphaltierte Straße repariert wird, kippt man noch mal ein paar Zentner Schotter drauf… wird sich schon festfahren. Dass der Gegenverkehr das Zeug in die Luft wirbelt und es ziemlich heftig kracht, wenn man die Steine aufs Auto bekommt, wird billigend in Kauf genommen.
Und so sehen die Leihwagen auch aus. Übersäht mit Aufklebern, wo Schäden gemeldet wurden – Steinschläge ausgenommen, die zählen nicht, die sind normal. Es gibt zwar Straßenkarten von Island, wo man sieht, wo asphaltiert ist und wo nicht. Aber keine Legende sagt, wie schlecht die Schotterpisten sind. Kann also sein, wenn man zu einem Gletscher einbiegt, dass es auf Schotter anfängt und die Steine immer größer werden, bis es Geröll ist. Nix für Kleinwagen. Unser nächster Trip nach Island muss mit Jeep erfolgen.
Und während der Fahrt kommt man in den Genuss isländischen Radios. Da wird für deutsche Verhältnisse viel geredet. Stellenweise eine halbe Stunde nonstop. Ansonsten das übliche Radiogesäusel, was auch hier die Runde macht. Zwischendurch auch mal isländische Musik, wobei man eher auf die weniger bekannten Gruppen setzt, also von Björk, Sigur Rós usw. war wenig zu hören. Fand ich sehr erfrischend. Kam man in die Nähe einer größeren Stadt vermehrten sich die Radiosender. Und was da stellenweise zu hören war, grenzte an… nun ja, meine Freundin nannte es Trollmusik. Was sich etwas lächerlich anhört, klingt im Radio wie ein Chor betrunkener Isländer, die grölend Folksongs vortragen.
Die Isländer sind freundlich und sprechen wirklich gut englisch bzw. bemühen sich mit Händen und Füßen einem weiterzuhelfen. Wir sind nur einem unfreundlichen Isländer begegnet – der Nachtwächter am Flughafen Keflavik, der unseren Aufenthalt, der schon von einem anderen Beamten abgenickt wurde, damit quittierte, dass er das Schild „Gästen, die morgens fliegen ist die Übernachtung auf dem Flughafen nicht gestattet“ laut scheppernd einen Meter in unsere Richtung schob.
Ansonsten stellt man sich viele Fragen über die Isländer. So zum Beispiel, wie es funktionieren kann, dass vor über 1000 Jahren die Besiedlung von Island begann und es sind werden immer mehr. Die isländische Firma „decode“ spricht von einer genetischen Reinheit, betrachtet man aber die kleinen Dörfer, ach besser Gehöfte, fragt man sich, wie dort heranwachsende Jungen und Mädchen ihren Partner finden mögen.
Es ist sehr interessant, die Menschen zu beobachten. Es geht natürlich im größten Teil des Landes dörflich zu, auch von der Kleidung her gesehen. Wenn man den Reiseführern glauben schenken darf, sind die Gesprächsthemen, welche Kuh wie viele Kälber geworfen hat und ähnliche Ereignisse des Tages.
Was mir besonders an Reykjavík gefallen hat, war die Ausstrahlung der Stadt. Sie hat zweifellos Hauptstadtflair, modisch gekleidete Menschen laufen durch die Straßen, aber mit ca. 200.000 Einwohner in der Stadt selbst und im Umland ist die Stadt vergleichsweise klein. Auch das Zentrum wirkt von den Häusern wie schickes Fischerdorf an der Ostsee, nur etwas größer. Und die Isländer sind kälteresistent, wenn man eingepackt wie an einem kalten Herbsttag durch die Straßen läuft, sieht man Einheimische in T-Shirts rauchend vor den Kneipen stehen bzw. die Kinder in kurzen Sachen herumlaufen.
Und trotzdem kommen einem die Isländer merkwürdig vor. Man spürt ihnen Nationalstolz, sie lieben ihr Land, erhalten die Sprache ihrer Vorfahren und zeigen das auf ihre Weise: Sie kaufen sich riesige Jeeps, um mit ihnen die Schotterpisten zu befahren bzw. lassen ihre alten Fahrzeuge auf ihren Höfen verrotten. Von dem Aluminiumwerk und dessen extra dafür errichteten Stausee will ich gar nicht erst anfangen. Zugleich spürt man aber eine Erkenntnis reifen, die bereit ist, in die Welt getragen zu werden… Abholzen bis zur unendlichen Kahlheit schafft keine landschaftliche Schönheit, auf welche die Isländer sehr stolz sein können.
In ihrem Land lebt die Erde, die dampft, brodelt und spuckt Feuer, Wasser und Schwefel. Zwischen endlosen Wüsten voller Nichts gibt es erstarrte Lava, die von weichem Moos bewachsen ist, weiße Berggipfel, klare Seen, Unmengen an Wasserfällen und über allem schimmert das Nordlicht, wobei uns das Wetter natürlich einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, denn ausgerechnet das konnten wir nicht sehen. Es ist schon unglaublich, wie abwechslungsreich die Landschaft ist. Es gibt Gegenden, an denen man aller 2km anhalten möchten, um ein Panoramabild zu machen, aber auch Strecken, wo man 70km fährt und nicht das Gefühl hat, sich wirklich vorwärts zu bewegen.
Tipps für eine Islandreise:
- Wenn man in Keflavik landet: Gegen den Uhrzeigersinn die Insel umrunden! Der Süden ist touristisch voll erschlossen und je nachdem, ob man das mag oder nicht kann man dort viel oder wenig Zeit verbringen. Der Norden ist auch schön!
- In der Nachsaison (ab September) sind die Campingplätze nur spärlich mit Personal besetzt. Entweder ist schon zum späten Nachmittag geschlossen oder es kommt nur jemand zum Kassieren vorbei. Dementsprechend sieht auch der Service aus. Da aber jeder kleinere Ort einen Zeltplatz hat, kann man hier sparen.
- Immer daran denken: Im Englischen heißt die Insel Iceland und kommt damit ihrem Wesen näher. Kein Gedanke ist abwegig genug, warme Sachen mitzunehmen. Ich hielt es für albern, lange Unterhosen mitzunehmen, aber ich habe es ein bisschen bereut. Die Kälte kriecht irgendwann doch bis auf die Haut.
- Das Zelt sollte kräftigem Wind standhalten. Wir hatten das Rejka Agadir und der Wind konnte ihm nichts anhaben, auch wenn wir anfänglich etwas besorgt waren. Auch nach drei Nächten mit Regen hatten wir keine Feuchtigkeitsprobleme, selbst wenn es jeden Tag auf- und abgebaut wird.
- Schlafsäcke: Ich hatte das 2008er Modell des Vaude Kiowa Basic (Komforttemperatur +1°C) und bin jeden Abend in Wollsocken, Unterwäsche und T-Shirt reingeschlüpft und fand es angenehm. Da der Schlafsack innen sehr glatt ist, entsteht schnell das Gefühl von Kälte, wenn man mit der Haut die Innenseite berührt. Ich habe noch ein Seideninlett von meru dazugenommen und es wurde mollig warm. Meine Freundin hat den Marmot Women’s Wave IV. Meine schlimmste Befürchtung war eine Erkältung, die sich breit machen könnte. Aber die hatte in der Woche keine Chance.
- Beim Wandern unbedingt auf wetterfeste Sachen achten. Der Regen ist entweder da oder beginnt schnell und dann ist es kein Genuss, wenn man mit nassen Sachen herumläuft, gerade im Bereich Hosen ist man sehr schnell nachlässig. Ich wollte eine Hose mit Zipper und habe auf die Jack Wolfskin Havanna zurückgegriffen. Ist schnell durchgeweicht, aber genau so schnell auch wieder getrocknet. Besser bedient ist man da mit den Jack Wolfskin Freeport Pants, die halten dicht. Aber für beide Hosen gilt: Vorsicht vor Kälte!
- Wenn man einen Mietwagen ausleiht: Schnell aus dem Flugzeug raus und zur Verleihstation hin. Die Schlangen sind endlos und man steht mindestens eine halbe Stunde. Jeep ist schon fast Pflicht, sonst kann man das Hochland streichen und auch Besuche wie z.B. des Dettifoss (die 862 und 864 sind beide für normale PKW nicht befahrbar!). Wer eine Runde auf der Ringstraße plant, schafft die Highlights locker in 4 Tagen. Dafür reicht dann auch ein normaler PKW.
- Betanken des Mietwagens: die ersten Male tagsüber tanken, wenn man den Knopf „Pay inside“ bedenkenlos drücken kann. Dann gewinnt man schnell ein Gefühl dafür, wieviel Geld man bei welchem Tankstand einfüllen kann. Denn viele Tankstellen in Island sind einfach nur da, man steckt seine Kreditkarte rein und dann: Für wieviel Geld wollen sie tanken? 1000 ISK, 2000 ISK…
- Tiere: Walbeobachtung lohnt sich nur bis Mitte August, danach verschwinden die Wale in wärmere Gefilde und die Chancen sinken, sonst liegen sie so bei 94%. Gilt wahrscheinlich auch für Seelöwen, wir haben alle empfohlenen Stellen angefahren und sind erfolglos geblieben. Von Papageitauchern auch keine Spur – ist übrigens gleichzeitig Maskottchen und Nationalgericht in Island.
- Reiseführer: die aktuelle Ausgabe des Island-Reiseführers aus dem Michael-Müller-Verlag (Erlangen). Das Buch weiß alles, selbst über das kleinste Nest.
Zum Abschluss noch etwas zum Thema Mitbringsel. Island hat die Zeichen der Zeit erkannt und weiß genau, worauf die Touristen stehen. Bilder mit Nordlichtern, Outdoorsachen, Sachen aus Islandwolle, T-Shirts, Mützen, Kappen, Gläser, Anstecker und viel mehr wartet in den vielen Läden auf den zahlungsbereiten und impulsiven Kunden.
Es empfiehlt sich allerdings, auf den Reiseführer zu vertrauen und Fabrikverkäufe anzusteuern, die Sachen aus Islandwolle sehr preiswert verkaufen (Pullover für knapp unter 100 Euro, einfache Handschuhe für 14 Euro). Mich hat es eher zu digitalisierter Ware gezogen, aber als wir Reykjavík nachmittags erreichten, mussten wir feststellen – samstags machen die Geschäfte bereits um 16 Uhr zu. Bis wir dann doch einen CD/DVD-Laden entdeckten und ich mich reichlich eindeckte. Man lasse sich auf der Zunge zergehen: R.E.M. – „Automatic for the people“ für 499 ISK = 2,78 Euro. Eigentlich hatte ich nur zwei Sachen auf meiner gedanklichen Liste: Sigur Rós – „með suð Ã eyrum við spilum endalaust“ sowie die DVD „Heima“. Und dafür gibt es noch ein Extrakapitel.
Ich konnte es nicht aushalten – auch als ich total übermüdet in die Woche startete, ich musste mir abends die DVD anschauen. Nicht nur, dass ich von der Musik ganz schwer angetan bin, nein, ich wußte jetzt, wie es in ihrer Heimat aussieht und diese Musik passt einfach perfekt dazu. Und schon allein der Hintergrund, dass die Band rund um die Welt getourt ist und dann quer durch Island zieht, um Gratiskonzerte an den ungewöhnlichsten Plätzen zu geben, freute mich. Angefangen von Gemeinschaftsräumen, über ein verlassene Fischfabrik bis hin zum Protestlager der Gegner der Staudamms für die Aluminiumfabrik.
Und das alles, weil sie für die Inspiration, die ihnen das Land gab, mal „Danke“ sagen möchten. Garniert wird das mit Bildern, die einfach unglaublich sind, dagegen wirken meine Fotos wie Amateurschnappschüsse. Es ist schwer zu beschreiben, mir fällt dazu nur ein Filmzitat aus „American Beauty“ ein: „Ein Video ist ein armseliger Ersatz, ich weiß. Aber es hilft mir mich zu erinnern. Und ich muss mich erinnern. Es gibt manchmal soviel Schönheit auf der Welt, das ich sie fast nicht ertragen kann und mein Herz droht dann daran zu zerbrechen.“
Mein Dankeschön für einen fantastischen Urlaub – Takk!
Ich bin neidisch! 😯
Sehr schöne Bilder.
Willkommen zurück! Auch wenn ihr das wahrscheinlich eigentlich gar nicht gern seid.
(Aber der Plural von „sheep“ ist und bleibt leider „sheep“… Englischunterricht Quarta… 😛 😉 )
Korrektur dankend entgegen genommen. Tut mir leid, aber für einen Moment war mir entfallen, das „sheep“ in Einzahl und Mehrzahl gleich ist. Ist so ein alltägliches Thema, sich in Englisch über Schafe zu unterhalten 😉
So sehr ich auch im Urlaub über das Wetter geschimpft hab – ich vermisse es irgendwie. Mir fehlt die Helligkeit am Morgen beim Aufstehen (Rundum hell ist doch was anderes, wie nur ein Fenster). Und auch irgendwie das Frieren… 21°C am Morgen sind nicht kalt, aber ich friere pauschal trotzdem erstmal. Muss so eine Art Hassliebe zu isländischem Wetter entwickelt haben.