Das erste Album Welcome To Acid Park war veröffentlicht. Wie sollte es jetzt weitergehen? Ich probierte weiter und habe das Ergebnis mit der EP The Acid Lab zusammengefasst.
Welcome To Acid Park war ja nicht nur zum Selbstzweck veröffentlicht worden. Also ging ich los, machte ein bisschen Werbung auf Facebook und Instagram. Die Rückmeldungen waren größtenteils positiv. Und es war ein Grundtenor dabei – old school.
Ja, ich mag mein minimales Setup. Vielleicht war dieser Release auch ein innerer Befreiungsschlag gegen die Musik, die ich als Promos zu hören bekomme, die eine kurze Idee auf 5 Minuten aufspannt und mit dutzenden Hüllkurven und Effekten zuklebt. Ich machte auch den aberwitzigen Vorstoß und schrieb ein paar Labels an. Also das kleinste paar… Zwei.
Eine meiner Inspirationen aus den frühen 1990ern sind ja Air Liquide. Auch jetzt noch ist das Liquid Sky Collective aktiv. Ich besuchte die Webseite und verpackte meinen Link in eine Mail. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Es meldete sich kein Geringerer als Dr. Walker aka Ingmar Koch. Er war offen und ehrlich, aber auf eine sehr respektvolle und herzliche Art. Zu old school, zu basic.
Wir schrieben etwas hin und her und ich bekam ein paar Tipps auf den Weg. Schaue ich mir meine Drum-Maschinen und die TD-3 an, erkenne ich überall das gleiche Muster. Ein Pattern hat 16 Noten und jeder Takt besteht aus vier Vierteln. Stur folge ich dem Schema. Ingmar gab mir zum einen den Ratschlag, mit der Patternlänge der TD-3 zu experimentieren oder auch auf ein Gerät zurückzugreifen, was das MIDI-Signal teilt. Also z.B. für jede dritte Note nur ein Signal weiterschickt.
Also setzte ich mich an meinen Maschinenpark und fing an. Im ersten Versuch ließ ich alles aus dem Ruder laufen. Die RD-8 arbeitete mit einer Patternlänge von 20, eine TD-3 mit 15, die andere mit 14. Nur die RD-9 durfte bei 16 Vierteln bleiben. Das Ergebnis war Tolerance. Schon gleich zu Beginn sträubt sich mein Verstand gegen die Bassdrum, die komplett aus dem Schema läuft. Und dann folgt man einer Acid-Line und merkt, dass man die Bassdrum aus dem Blick verliert.
Für jemanden, der das Prinzip nicht kennt, war das zu undurchsichtig. Also ging ich auf eine kürzere Patternlänge für eine TD-3 und entließ den Rest des Maschinenparks wieder auf seine reguläre Länge. Ich stellte fest, dass ein Pattern der Länge 3 perfekt geeignet ist, um eine schöne peitschende Sequenz zu erzeugen. Trommeln aus der Tiefe war geboren. Ich unternahm noch einen zweiten Versuch mit einer Dreiersequenz. An der zweiten TD-3 programmierte ich eine ganz simple Sequenz und drehte an den Reglern. Moment mal, war das nicht irgendeiner von den Cherrymoon Trax Songs von den frühen Bonzai-Klassikern?
Ich war im Zwiespalt. Auf der einen Seite, da waren sie wieder, die 1990er in Reinkultur. Aber andererseits war das Ergebnis zu schön um einfach verworfen zu werden. Also musste ich den Track irgendwie zu einem Ende bringen. Er sollte nicht so wie meine frühen Stück werden, die eine Idee auf Tracklänge durchprügelten. Die waren dazu verdammt im Rauschen der Monotonie zu versinken. Rauschen! Ich generierte in Audacity ein rosa Rauschen und ließ den Track dahin hinabgleiten. Und aus! Cherries on Acid war fertig.
Zurück zum Experiment. Während der Synthie-Sound der einen TD-3 schon sehr hoch war, wie tief konnte man nach unten gehen? Das Ergebnis knatterte dumpf wie ein verrosteter, dreckiger Dieselmotor. Also musste der gesamte Track irgendwie dreckig werden. Distortion an und alle Geräte durchjagen. Und schon tuckerte der Mud Crawler los.
Jetzt war das schon wieder relativ weit von dem entfernt, wo ich eigentlich experimentieren wollte. Natürlich klingen zwei 303s schön. Aber wenn die Patternlängen unterschiedlich sind, überlagern sie sich irgendwann mit jeder Note einmal. Und wenn die beiden dann nicht harmonieren, dann wirkt das Ergebnis chaotisch. Als war die Grundidee erst einmal zwei Sequenzen zu finden, mit gut einander arbeiten.
Und jetzt noch eine Idee, damit sie nicht ständig aufeinander hängen. Stereo! Eine blubbert links, eine rechts. Und vielleicht tauschen sie auch zwischendurch mal die Position. Wie bei einem Gespräch. Also ein Dialogue.
Ich hatte eigentlich schon verstanden, was ich erreichen kann. Aber es gibt für mich zwei Level des Verstehen. Zum einen hat man verstanden worum es geht und kann es anwenden. Die hohe Stufe ist nicht nur das Verständnis, sondern das Verinnerlichen. Also wie beim Auto fahren. Anfangs muss man sich auf die Spiegel, Blinker, Scheibenwischer, Gas, Bremse, Kupplung usw. konzentrieren. Später funktioniert das und man denkt nicht mehr darüber nach. Jetzt fehlte noch ein Track, der genau das rüberbringt.
An einem Abend vorm Einschlafen kam mir dann die Idee. Eine TD-3 mit einer Patternlänge von sieben, die andere von fünf. Der siebener Pattern mit VPSSSPV (V = Viertel, P = Pause, S = Slide) und der fünfer nur ohne die Pausen. Da die beiden sich auch gegenseitig jagen, können sie auch nicht die gesamte Zeit zusammen laufen. Da ich ohnehin schon mal einen Track machen wollte, wo das Tempo wechselt, war das perfekt. Denn ein Beat war jetzt auf einmal 7 Viertel lang, bzw. später dann 5 Viertel. Da es jetzt zwischen zwei Bassdrums eine gerade Anzahl von Viertel gab, lief das Open Hihat auch etwas asynchron. Ich setzte noch einen Accent auf die ersten zwei Noten der Sequenzen und plötzlich bekam der Track einen Herzschlag. Oder besser er fing an zu stolpern und arrhythmisch zu werden, eine Tachykardie.
Parallel zu den Tracks war die Idee für den Rahmen schnell entstanden. Ein Labor voller Experimente. Aber nicht nur chemisch, sondern auch elektronisch. Und plötzlich waren da auch Roboter. Schnell überholten die Bilder die eigentliche Idee. Deswegen gibt es auch hier wieder eine kleine Auswahl der Ergebnisse von The Acid Lab.