Zu meiner Überraschung gibt es bei Im Orbit November 2024 wieder viele Alben. Ich liebe Alben! Man spürt den Flow eines Künstlers, wie seine Gedanken gewandert sind oder wie er ein Thema angeht. Und das mit voller Tiefe. Skizzen oder Ideen sind dann die EPs.
Defset – OK – Accept – Continue
Am 15. November erscheint OK, Accept, Continue von Defset auf EMK. Ich muss sagen, als ich den ersten Track KokoChoke hörte, war ich nicht so sicher, ob ich mich auf das Album einlassen wollte. Das Interessante ist, dass ich jetzt nicht mehr greifen kann, was mir anfänglich nicht gefallen hat.
Das Album ist vielschichtig. Es hat ruhige, aber auf aggressive Momente. Als wäre die Musik die Reflexion einer mentalen Reise. Für Defset ist es die Bewältigung seiner Trauer. Und Trauer hat auch viele Facetten. Von Wut über Verzweiflung, Einsamkeit gibt es viele Stationen, welche durchlaufen werden müssen.
Die Verarbeitung des Schmerzes wurde von einer Reise begleitet, die Defset während der Arbeit an diesem Album gemacht hat. Sie führte zu einer Hilfsorganisation in Gambia, wo seine Mutter arbeitet hat. Die dort aufgesogenen Einflüsse sind natürlich auch mit ins Album gewandert.
Nachdem ich das Album jetzt gerade noch mal bewusst gehört habe, finde ich es sehr beatlastig. Initial ist es in mir hängen geblieben, dass am Anfang sehr aufgedreht war und dann sich irgendwann beruhigt. Aber interessanterweise scheint es eher umgekehrt gewesen zu sein.
Fat Freddys Drop – Slo Mo
Als ich gesehen habe, dass es eine neue Veröffentlichung von Fat Freddy’s Drop geben wird, habe ich mich gefreut, in das Album einzuhören. Jetzt hat mir mein Kopf aber einen Streich gespielt. Denn mir war noch das Remix-Album in Erinnerung geblieben, das vor einem guten Jahr erschien.
Diesmal gibt es den puren Sound der Band. Das Album heißt Slo Mo und kommt auf dem hauseigenen Label The Drop am 8. November heraus. Wenn ich die Musik höre, würde ich karibische Einflüsse vermuten. Da sind jede Menge Echos und Dub-Referenzen. Um so schwerer fällt es mir, dass Fat Freddy’s Drop aus Aotearoa kommen. Auch noch nie gehört? So nennen die Maori ihr Heimatland, das wir als Neuseeland kennen.
Um ehrlich zu sein könnte von mir aus schon nächstes Jahr das Remixalbum erscheinen. Ich mag die Sänger, ich mag die Dub-Referenzen, aber es fehlt ein bisschen die Abwechslung. Und die kam durch die Remixe gut.
Karolina BNV – Yet To Come
Der nächste Release kommt vom Label Wrong Era. Wie der Name schon erahnen lässt, ist die Musik von Wrong Era nicht aus dieser Zeit. In letzter Zeit höre ich sehr viele Releases, die den Bereich der frühen 1990er bedienen. Und so auch Karolina BNV.
Ich weiß nicht, ob es ein typisch deutsches Phänomen zu Beginn der 90er Jahre war. Durch die elektronische Vorgeschichte mit Kraftwerk war ein starker Bezug zu dem kühlen Elektro-Sound vorhanden. Dann kamen da noch Einflüsse des EBM aus Belgien. Als wäre das nicht schon genug, gab es dann noch die Acid-House-Szene der späten 80er, die einen gewaltigen Einfluss auf Europa hatte, da sie die Dance Music mit ihren Acid-Sequenzen durchdrang.
All das spielt für den frühen Techno-Sound in Deutschland eine entscheidende Rolle. Und für die Yet To Come, die am 22. November erscheint, muss ich gestehen, dass der Sound sehr gut eingefangen wurde. Natürlich spielt jeder der vier Tracks auf eine andere Facette an.
DaRand Land – Wander Being
Die Geschichte von DaRand Land beginnt mit dem Label Deep4Life, wo seine Wurzeln sind. Dort fing seine Reise im Jahr 2000 an und setzte sich über Labels wie Downbeat, Pulp, Confluence und Urban Imaginary fort. Seine erste Veröffentlichung auf Scissor and Thread war dann die Discover You im Jahr 2016.
Da DaRand Land zurück zu seinen Wurzeln wollte, erscheint am 29. November das Album Wander Being auf Scissor and Thread. Das Doppel-Vinyl wird 10 Tracks umfassen, zwei weitere Tracks gibt es für die digitale Version.
Wander Being ist angenehm zu hören. Wander Being ist der ruhige Deep House, den man am Morgen hören möchte, um in Schwung zu kommen, aber ohne alle anderen wissen zu lassen, dass man jetzt durchstartet. Also ein Feuer auf kleiner Flamme. Fast bin ich geneigt, das Album auch minimalistisch zu nennen, weil es nicht viel mitbringt. Gerade genug für den Groove, aber ohne langweilig und monoton zu wirken.
Kate Stein – Psychworld
Der nächste Release kommt vom New Yorker Label 99FVR. Hinter der Musik steht Kate Stein und das Werk heißt Psychworld. Ganze vier Titel werden auf der EP sein, die am 15. November erscheinen wird. Soweit die Fakten. Nehmen wir uns die Zeit etwas in die Musik abzutauchen.
Der Beat wird es nicht sein, der mein Interesse weckt. Eine stoisch laufende Bassdrum und tief brummender Bass bilden erst mal die Grundlage. Ein paar Sounds mit viel Echos fliegen umher und fordern Aufmerksamkeit. Aber wenn der Hauptteil beginnt, ertönt die unvergessliche Stimme von Maxi Jazz „Insomnia, please release me!“ immer und immer wieder. Das bohrt sich tief ins Gehirn – Psychworld – der Name spricht für den Track.
Zu Psychworld gesellt sich noch Acapulco. Wenn man die Entwicklung des Techno verfolgt, stellt man fest, dass es hier viele Elemente gibt, die aus der Ära des frühen Techno in Europa entlehnt sind. Und dieses hypnotische Feuer von schnellen Tönen ist dem Techno im Laufe der Zeit verloren gegangen. Von daher feiere ich diese Nostalgie. Die abschließenden beiden Remixe von Psychworld kommen für mich gefühlt nicht an das Original heran, aber müssen sie auch nicht.
Nathaniel Eras – Omniaglyph 1
Wie lange ist eigentlich die Omniaglyph 0 EP her? Richtig, das war im Mai diesen Jahres. Und am 8. November legt Nathaniel Eras die zweite EP Omniaglyph 1 nach. Wo ich im ersten Teil noch irgendwo zwischen Selected Ambient Works II und einem Album von Amon Tobin unterwegs war, fühle ich beim zweiten Teil eher eine Kinoatmosphäre.
Es beginnt mit dem ruhigen gleitenden Track Materiel Complex, der sich so ein bisschen wie Tagesablauf anfühlt. Leicht hektisch, aber angenehm getragen. Die Quantum Clouds […] haben etwas geheimnisvolles. Eine Entdeckung? Ein verstörendes Geheimnis? Wer kann das Rätsel lösen? Für mich bester Track ist Chimera Ovum. Einfach mal bildlich vorstellen und die Entwicklung der Eizelle musikalisch wirken lassen. Brilliant. Nachdem das Geheimnis gelüftet ist, kann der finale Track den Film zu Ende bringen. War schon aufregend und ich bin auf den dritten Teil gespannt.
Mha Iri – The Leader Of The Pack
Mha Iri ist The Leader Of The Pack! Und der/die wird man nicht mit netten Worten. Von daher geht es ziemlich tough zur Sache. Jetzt bin ich nicht mehr der Fan des Techno, weil mir da der Raum zwischen Beats verloren geht. Und deswegen gehe ich den Review doch ein bisschen aus dem Weg, weil ich dann fast geneigt bin zu sagen: Naja, könnte ich auch. Aber kann ich nicht und deswegen ist ein fehlender Review meine neutrale Zone.
Wie hat es Mha Iri dann doch geschafft? Weil da doch ein bisschen mehr in den Song drin steckt, als einfach zusammen geklebte Pattern. Da passiert war, die Tracks zeigen Fortschritt, entwickeln sich. Es ist nicht das simple Geballer, das nur auf einen Break wartet um dann unverändert fortzusetzen. Und deswegen ist der Release, der am 22. November auf [PIAS] Électronique erscheint, durchaus hörenswert.
Weska – Mudcat
Weska ist kein Unbekannter in meiner Plattenkiste. Sein Debüt war auf der Futuro auf Bedrock. Und jetzt steht am 15. November sein Release auf Truesoul an. Und das nachdem er zusammen mit Bart Skils zusammen auf Drumcode veröffentlicht hat. Jetzt liegt sein Sound auf Bedrock doch ziemlich weit entfernt von Drumcode. Aber Truesoul ist eine ziemlich passende Mitte.
Die zwei Tracks heißen Mudcat und Yeah. Und auch für diesen Release gilt, dass sich Truesoul zu sehr an großen Dancefloors orientiert. Die Musik ist zwar angenehm, aber auswechselbar und damit beliebig. Eine „Dum-Di-Di-Dum“-Bassline, ein 4/4-Beat, ein Break in der Mitte. Dazu noch etwas Vorlauf und Nachlauf und fertig ist der Track.
Joseph Ashworth – We Should Stay
Damals war das Album Stay noch der erste Release auf Joseph Ashworths Label Sound Of Outside. Mittlerweile ist das Label bei Release Nummer 5 angekommen und der ist auch wieder von Joseph Ashworth. Am 22. November erscheint da seine Single We Should Stay.
We Should Stay braucht keine große Erklärung. Jeder kennt den Moment der Party, wo der Bogen überspannt ist. Die Nacht ist schon sehr weit fortgeschritten und so langsam holt keiner der Tracks einen mehr ab. Aber jeder kennt das. Es gibt dieses Fenster, wo man keinen Bock mehr hat. Und entweder man geht sofort, was vielleicht etwas zeitig ist oder man zieht es durch. Und jetzt kommt We Should Stay ins Spiel. Ja, bleib doch noch da! Warte auf den Sonnenaufgang!
Willo & Baron von Trax – Reflektor
Der November neigt sich dem Ende entgegen und damit pünktlich zum ersten Advent erscheint am 29. November die Reflektor von Willo & Baron von Trax auf Stress Records. Perfekt geeignet für alle diejenigen, die dem Konsum entfliehen wollen und einfach mal richtig Lust auf Feiern haben. Jetzt ist aber die Reflektor ziemlich arm dran. Denn es sind nur zwei Titel, oder besser gesagt nur einer und das in radiotauglich und Extended Version.
Beim ersten Hören dachte ich mir so, dass es doch wieder eine von den vielen Nummern ist. Aber schon nach einer Minute steckt man wie im Treibsand und kommt nicht wieder aus dem Track heraus. Nach zweieinhalb Minuten ist schon der Break fertig und danach sagt die Piano-Hookline, dass die Nacht noch lange nicht vorbei ist.