Das Thema Goa-Trance verfolgt mich schon ein bisschen. Ich dürfte da auch so einige Songs in meiner Plattenkiste haben. Da Goa-Trance aber erst so richtig populär wurde, wo ich aufgehört habe, Trance zu hören, will ich mich mal mit dem Thema intensiver beschäftigen.
Unknown Territory ist eine Serie, wo ich musikalisch über den Tellerrand hinausschaue. Ich entdecke Musik, die mir zwar geläufig ist, wo ich aber bisher nie die Zeit fand, mich intensiver damit zu beschäftigen. Ich werde dabei in die Vergangenheit eintauchen und wenn möglich auch einen Bezug zur Gegenwart herstellen.
Trotzdem finde ich Goa-Trance gerade kulturell richtig faszinierend. Die Welt des Techno hat in seiner Anfangszeit etwas kaltes, industrielles an sich. Da ist kein Platz für Träumereien oder Spiritualität. Und dann taucht auf einmal Trance auf. Natürlich schleicht sich der Trance über monotone Sequenzen heran. Also das, was wir heute als Hardtrance kennen. Beim Tanzen merken die Leute, wie das Gehirn abschaltet. Körper und Geist trennen sich.
Jetzt bräuchte man nur noch eine Kultur, die versucht ähnliches zu erreichen. Vielleicht irgendwas mit Meditation? Und da kommt ein Ziel in Indien, was schon seit den 1960ern bei Hippies beliebt ist, gerade recht. Und irgendwie fusionierte der früh-industrielle Techno mit asiatischen Rhythmen und Melodien in Goa zu einer eigenen Musikrichtung. Perfektioniert mit Samples von esoterischem oder futuristischem Inhalt.
Zum Glück schafft es diese Musik, sich für eine ganze Zeit ihren Independent-Status zu erhalten. Erst Mitte der 1990er schafft es Goa-Trance zur Popularität. Aber dann auch mit so einem Schwung, dass der Eindruck entsteht, jemand hätte mit den Fingern geschnippt und alles ist Goa. Und genau in diese Zeit möchte ich eintauchen bzw. auch einen kleinen Ausflug in die Ursprünge machen.
Juno Reactor – Transmissions (1993)
Auf einer Compilation von 1996 hatte ich schon einen Remix der High Energy Protons. Als ich mich in den Bereich Goa-Trance vorwagte, bot er mir als „Early Goa Trance Releases“ die Transmissions von Juno Reactor an. Und genau wegen dem Titel hörte ich in das Album rein. Erster Titel – besagte High Energy Protons.
Jetzt muss man zu diesem Album sagen, dass es bereits 1993 auf NovaMute erschienen ist. D.h. als Sublabel von Mute mit erstklassigen Vertriebskanälen spricht es dafür, dass die Welt 1993 noch nicht bereit für Goa Trance war. Aber auch klanglich war das Album schon ziemlich nah, wo sich der Goa Trance breit machen würde. Natürlich gibt es auch den zur der Zeit üblichen Trance, aber das Album würde ich unbedingt als richtungsweisend einordnen.
Richtungsweisend auch was die Instrumente angeht. Denn musikalisch lebt Goa-Trance davon, dass Achtel-Noten abgefeuert werden und da nicht wirklich Melodie dahinter liegt. Sondern das Geheimnis ist die Modulation. Und welches Gerät könnte das besser als die TB-303? Mit Acid Moon findet sich also schon eine erste Skizze, wie die saure Variante von Goa-Trance klingen könnte.
Hallucinogen – Twisted (1995)
Für das nächste Album half ein glücklicher Umstand mit. Für mich ist es in der Serie wichtig, dass ich einen grundsätzlichen Überblick über das Thema bekomme. Das heißt, ich versuche herauszufinden, wer das Thema angetrieben hat, wer die großen Namen waren und wie ihre ersten Berührungspunkte waren.
Merkwürdigerweise stolperte ich ziemlich häufig über den Namen Hallucinogen. Fand ich auch in dem Zusammenhang interessant, weil ich einleitend nur erwähnt hatte, dass Goa-Trance von Aussteigern entwickelt wurde. Dass da auch Drogen im Spiel waren, macht der Bandname von Simon Posford ziemlich deutlich. Wie schon erwähnt, spielen viele esoterische Themen im Goa-Trance Verwendung. Außerkörperliche Wahrnehmung, Schamanismus oder dunkle Magie spiegeln sich als Thema in den Titeln immer wieder.
Das erste Album Twisted von Hallucinogen erschien 1995. Ich hatte das Glück, dass sich Simon letztes Jahr entschieden hatte, die Originale zu remastern und so gab es die ersten beiden Alben im Doppelpack. 1995 ist Goa-Trance schon keine Randerscheinung mehr. Auf Labels wie Harthouse, das offen für Neues ist, erscheinen dazu auch schon die ersten Platten, aber dazu gleich mehr.
Wo das erste Album von Juno Reactor noch sehr zaghaft ist, wirkt die Twisted schon treibender. Aber bleibt auch sehr trancig. Im Englischen wurde irgendwann Goa-Trance durch Psychedelic Trance ersetzt, was im Fall von Hallucinogen doch sehr zutreffend ist. Manchmal überschlägt sich das Ganze und wird zu einem wilden Jaulen. Und deshalb finde ich da eine Unterscheidung zwischen Goa-Trance und Psychedelic Trance schon fast wichtig. Sollte die Musik nicht selbst einen Trance-Zustand auslösen und nicht durch einen Drogen induzierten Trance-Zustand ausgelöst worden sein?
Koxbox – Forever After (1995)
Ich hatte es gerade angedeutet, dass Harthouse noch eine Rolle spielen würde. Bereits 1994 erschien von Koxbox die erste EP auf Harthouse, wo das legendäre Stück Acid Vol. 3 drauf war. Als ich damals damit das erste Mal konfrontiert wurde, war es sehr abgefahren. Nach wie vor gefällt mir die Stelle, wo nach 2,5 Minuten der Basslauf einsetzt und der Track Fahrt aufnimmt. Aber hier zeigt sich schon die Reise, die Koxbox nehmen wird.
Die Forever After war tatsächlich das erste Album im Bereich Goa-Trance, dass in meiner Sammlung gelandet ist. Durch Zufall kam ich dazu, denn war es Teil einer Sammlungsauflösung. Da ich eingangs erwähntes Acid Vol. 3 schon kannte, war ich von dem Sound fasziniert. Auf der einen Seite fügt sich Forever After perfekt in das Bild von Harthouse, aber gleichzeitig bringt es den Sound des Goa-Trance prima rüber, lässt es durch die TB303 auch gleichzeitig dezent acid-lastig klingen.
Astral Projection – Trust In Trance (1996)
Trust In Trance war das Debütalbum der isrealischen Formation Astral Projection. Ihren Sound entdeckte ich in den späten 1990ern und damit war ihre Musik für mich der Inbegriff des Goa-Trance. Ich hatte aber zu der Zeit nur einzelne Titel und die auch noch in schlechter Qualität, d.h. ich musste hier nachsteuern.
Gleichzeitig merkte ich bei Astral Projection, dass sich Goa-Trance beim Hören schnell abnutzt. Für mich kam dann schnell die Erkenntnis, dass jeder Künstler seinen eigenen Stil für Goa-Trance hat, der bei einigen mehr, bei anderen weniger vom gemeinsamen Konsens abweicht. Oder um es in einem Satz zu sagen: Hat man ein Album von Astral Projection gehört, kennt man sie alle.
Das ist auf keinen Fall abwertend gemeint, sondern schlicht ein Hinweis. Ich wollte für meine Reise durch den Goa-Trance vielfältig bleiben. Nachdem ich aber ein paar Alben von Astral Projection durchgehört hatte, stand ich mit den Schultern zuckend da und habe deshalb auf das Gerade-wohl das erste Album genommen.
Xenomorph – Netherverse (2024)
Und damit ein Sprung ins aktuelle Jahr. Denn bei Goa-Trance passierte etwas Interessantes, was auch zeitversetzt mit dem Trance der Golden Years passiert ist. Goa-Trance hatte eine Hochphase von Mitte der 1990er bis ca. zur Jahrtausendwende. Danach verschwand die Musik fast komplett aus dem Blickfeld. Erst mit dem Revival des Trance vor ca. 10 Jahren besann man sich darauf, dass Goa doch nicht so schlecht war.
Auf der Suche nach aktuellen Releases musste ich feststellen, dass es nur ein paar Labels gibt, die sich ausschließlich dem Goa-Trance widmen, so z.B. Suntrip Records aus Belgien. Dort musste ich aber differenzieren, denn es gab altes Material, was wiederveröffentlicht wurde. Es gab aber auch Musik aus der Zeit Ende der 1990er, die noch nie herausgebracht wurde. Aber das war nicht meine Absicht. Ich wollte aktuelles Material, was ich in Form der Netherverse auch dort fand.
Natürlich gefällt mir nicht jede Art von Goa-Trance, es gibt da auch viele verschiedene Schattierungen. Es geht von ganz nah am Trance, was ich jetzt mal als leichte Kost einstufen würde. Aber es gibt auch die Schattenseite, wo das Tempo etwas höher geht und durch das schneller Feuern der Noten ein aggressivere Stimmung herrscht. Wie ich schon in einer der letzten Folgen geschrieben hatte, entdeckte ich Einflüsse des Goa-Trance bei neueren EBM-Releases. Aber Netherverse ist schon ein ziemlich dunkles Album und rundet damit die hier vorgestellte Sammlung sehr gut ab.
Fazit
Was war: Goa-Trance war für mich immer faszinierend. Nur hatte ich mich nie herangetraut, weil ich Angst hatte, in einem riesigen Becken voll guter Musik zu ertrinken. Also wenn ich irgendwie mal was in die Hände bekam, habe ich es gehört. Trotzdem habe ich den Zündfunken unterdrückt.
Was ist: Goa-Trance hatte mit Beginn der 2020er mal wieder ein Revival, was aber für wenig Aufregung sorgte. Von dem Standpunkt aus musste ich mir also keine Sorgen machen, dass ich gleich wieder von einer Welle überrollt werde.
Was wird: Bei meiner Recherche fiel mir auf, dass jetzt viele Sachen, die Ende der 1990er entstanden sind, neu veröffentlicht werden oder das erste Mal erscheinen. Trotz alledem gibt es nur wenig Labels, die sich dem Thema Goa-Trance widmen. Denen folge ich jetzt und wenn da alle 2-3 Monate mal ein neues Album erscheint, was mir gefällt, nehme ich das gerne mit.