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D wie Drexciya

Jan 0
geschätzte Lesedauer: 3 Minuten

Als ich die Bilder für Unknown Territory fertig gestellt habe, warf ich einen Blick auf die Alben von Drexciya und ließ die KI auf den Deep Sea Dweller los. Wie gut das eigentlich passt, wurde mir erst klar, als ich mich intensiver damit beschäftigte.

Unknown Territory ist eine Serie, wo ich musikalisch über den Tellerrand hinausschaue. Ich entdecke Musik, die mir zwar geläufig ist, wo ich aber bisher nie die Zeit fand, mich intensiver damit zu beschäftigen. Ich werde dabei in die Vergangenheit eintauchen und wenn möglich auch einen Bezug zur Gegenwart herstellen.

Ist es peinlich, noch keinen Track von Drexciya gehört zu haben? Ja, auf jeden Fall! Für mich war das Thema Drexciya genau wie Underground Resistance etwas, wo ich mich selbst nicht für würdig empfand. Ich hatte das Gefühl, dass diese Musik nur wenigen Auserwählten vorbehalten bleibt, die ihre Tiefe und Wirkung nicht nur zu schätzen wissen, sondern auch leben.

Doch nachdem der Name immer wieder wie eine Luftblase im Wasser zu mir empor stieg, musste ich mir das Phänomen etwas näher ansehen. Allen voran war da Tresor Records, die gerne die Originale neu auflegten. Dicht gefolgt von Clone Records.

Als ich gerade ein Liste der Releases ansah, musste ich anerkennend mit dem Kopf nicken – Underground Resistance, Tresor, Clone Records und Rephlex. Da kommt man nicht so einfach hin. Für diese Labelliste musst du entweder jemand sein oder verdammt gute Musik machen. Und wieder war da das Gefühl unwürdig zu sein.

Doch dann ging es auf einmal ganz schnell und einfach. Ich hörte in die Harnessed The Storm rein. Nachdem das im Grund genommen nach der Musik klang, die ohnehin höre, ging die Bestellung von Neptun’s Lair, Harnessed The Storm und Journey Of The Deep Sea Dweller I – IV ziemlich leicht von der Hand.

Und ich machte mich auf die Reise. Und irgendwo in den Untiefen ihrer Idee fand ich The KLF wieder. Nur im Gegensatz dazu fragten sich James Stinson und Gerald Donald nicht, was Drexciya für Musik machen würden, sondern entwickelten einen ganzen Mythos um ihre Musik.

Die Welt von Drexciya

Durch unsere Reisen haben wir schon viel über den Sklavenhandel zwischen Afrika und der Neuen Welt erfahren. Heute kann man sich das nicht mehr vorstellen, wie Menschen zusammengepfercht auf engstem Raum auf ihre Deportation warten. Darunter auch etliche Frauen, die nicht zuletzt von den Aufsehern zum Sex gezwungen wurden und unfreiwillig schwanger wurden.

An diesem Punkt beginnt die Geschichte von Drexciya. Da diese schwangeren Frauen als krank oder störend empfunden wurden, werden sie einfach über Bord geworfen. Die Babys der Frauen verließen den Körper ihrer Mütter, ohne die Notwendigkeit je atmen zu müssen. Sie waren die Gründer Drexciyanischen Rasse, die fortan in Frieden mit sich und ihrer Umgebung unter Wasser lebte. Gerald und James versetzen sich mit ihrer Musik in die Rolle der Nachfahren. Sie schaffen damit den Sprung zwischen ihren afrikanischen Wurzeln und dem zeitgenössischen Leben in den USA.

Schaue ich mir die Titelliste an, ist ein Großteil mit Verweisen auf ein Leben unter Wasser gespickt. Und dann schaue ich mir wieder das Titelbild dieses Beitrags an und freue mich. Es ist gut geworden und fängt das Leben einer Unterwasserspezies toll ein. Mit einem Hauch Phantasie natürlich, aber das gehört dazu. So wie ihre Musik eine Art Science-Fiction-Electro-Techno-Jazz ist. Mit der Technik und gleichzeitig mit der Natur im Einklang, denn ein Überleben wäre ohne eins von den beiden unmöglich.

Symbolisch steht diese Geschichte als Erinnerung für die 1,8 Millionen Sklaven die ihr Leben bei der Deportation verloren. Schon allein deswegen verdient sie Aufmerksamkeit. Angereichert mit dieser positiven Phantasie haben sich schon viele Künstler gefunden, welche die Idee eines Unterwasser-Metropolis nicht nur musikalisch, sondern auch in Form von Comics aufgreifen und fortsetzen.

Erinnert ihr euch an Matrix II? Wo das Schiff von Morpheus das erste Mal in Zion ankommt und die virtuelle Leitstelle das Schiff einweist? Wenn ich mir den Titel Bubble Metropolis anhöre, bekomme ich sofort ein Dèjá-Vu. Erschienen ist die EP Bubble Metropolis viele Jahre vor Matrix, 1993. Von daher könnte man denken, dass einer der Schreiber doch einen Hauch von Drexciya eingefangen hat.

Drexciya in der realen Welt

Neben ihren Veröffentlichungen auf den bereits erwähnten namhaften Labels versteckten sich Drexciya bis 2002 hinter ihrem Pseudonym. Über ihre realen Identitäten wurde nichts bekannt. Auftritte und den damit verbundenen Ruhm lehnten sie kategorisch ab. Erst mit dem plötzlichen Tod von James Stinson wird etwas über die beiden hinter dem Projekt bekannt. Bis zu seinem plötzlichen Herzversagen hat James hauptberuflich als LKW-Fahrer gearbeitet.

Fazit

Während die Alben durchlaufen, zucke ich immer wieder hoch, weil ich den Titel schon kenne. Irgendein Mixtape war es garantiert, wo dieser Track schon mal auftauchte. Compilations konnten es nicht sein, denn bis auf die 30 Jahre Tresor oder die 20 Jahre Clone Records tauchen keine Drexciya Tracks bei mir auf.

Was war: Drexciya war für mich eine Gruppe, die diese Art von Techno bzw. Electro macht, der wirklich nur für die Altvorderen gedacht ist. Die, die 1990 schon Techno seit 20 Jahren gehört haben. Überspitzt gesagt. Und zu denen fühlte ich mich nie zugehörig. Ich wollte leichte, lockere Kost.

Was ist: Nicht jeder Titel gefällt mir. Aber der Großteil ist schon extrem abwechslungsreich. Obwohl es heißt, dass Drexciya immer live im Studio gejamt haben, klingen viele ihrer Tracks komplett durchdacht. Einzelne Tracks, die ich schon von Mixtapes kenne, hatten zumindest so einen Wiedererkennungswert, dass ich sie problemlos zuordnen kann.

Was wird: Leider nichts mehr. Ich darf Clone Records dankbar sein, welche die alten Werke, die zu unbezahlbaren Preisen gehandelt werden, digital neues Leben eingehaucht haben und somit auch für kleines Geld verfügbar sind.

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