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A wie Ambient

Jan 0
geschätzte Lesedauer: 5 Minuten

Jetzt ist Ambient nicht ein Thema, was komplett neu auf meinem Blog ist. Schon in meiner Serie zu meinen Einflüssen bin ich bei Aphex Twin auf seine Selected Ambient Works eingegangen. Aber mich interessieren in diesem Beitrag die Ursprünge und natürlich ein paar Klassiker.

Unknown Territory ist eine Serie, wo ich musikalisch über den Tellerrand hinausschaue. Ich entdecke Musik, die mir zwar geläufig ist, wo ich aber bisher nie die Zeit fand, mich intensiver damit zu beschäftigen. Ich werde dabei in die Vergangenheit eintauchen und wenn möglich auch einen Bezug zur Gegenwart herstellen.

Nachdem die Musik Jahrhunderte lang durch physische Erzeugung von Schwingungen gemacht wurde, erdachten im frühen 20. Jahrhundert schlaue Köpfe eine Musik, die nicht auf Tonarten basiert und keiner Rhythmik folgt. Wenig später folgten schon erste Versuche. Aber der richtige Durchbruch kam mit der elektronischen Klangerzeugung.

Um einen guten Einstieg zum Thema Ambient zu finden, habe ich einfach mal ein bisschen gesucht. Natürlich wurde ich mit Vorschlägen zu Klassikern überrumpelt. Deshalb habe ich mir ein Ziel gesetzt: Drei Klassiker und ein kürzlich erschienenes Album.

Brian Eno – Ambient 1: Music for Airports

Unschwer der Klassiker des Ambient dürfte Brian Enos Ambient 1: Music For Airports von 1978 sein, das dem Genre auch seinen Namen gegeben hat. Enos Idee für das Werk war der reale Einsatz seiner Musik auf Flughäfen. Sie sollte gleichzeitig interessant für Zuhörer sein, aber auch egal genug, um sie zu ignorieren. Gleichzeitig war der Anspruch, dass die Musik jederzeit von Durchsagen unterbrochen werden konnte, ohne dass dadurch der Fluss der Musik gestört wird. Die Menschen auf den Flughäfen sollten aber auch das mehrmalige Hören des Albums nicht als störend empfinden.

Und damit war der Rahmen gesteckt. Musik, die einen langen Spannungsbogen hat, um für den Zuhörer interessant und abwechslungsreich zu bleiben. Zusammengesetzt aus warmen, weichen Klängen, die sanft in einander übergehen, ist Ambient ziemlich unaufdringlich. Dabei verzichtet Ambient weitgehend auf rhythmische Elemente, wobei die Grenze da zwischen den Stilen sehr diffus ist.

Beim ersten Durchhören war das Album für mich ohne Zusammenhang. Natürlich hörte ich, dass die Titel miteinander verwoben waren. Und gleichzeitig erkannte ich, dass ich viele Elemente in der Ambient 1 wiederfand, die ich von anderen Alben kannte. Aus dem Grund war es neu und gleichzeitig vertraut. Deswegen freute ich mich schon auf den zweiten Durchlauf. Für einige Momente spürte ich, dass ich das Album eigentlich gern höre. Es hat jetzt keine klassische Songstruktur und damit keinen Höhepunkt, auf den hingearbeitet wird. Aus dem Grund herrlich entspannend.

Ich nutzte die Zeit während der Fahrt auf Arbeit, um über das Enos Album und seinen zeitlichen Kontext nachzudenken. Ende der 1970er war eine Zeit, wo Reisen populär wurde. Die Welt zu entdecken, wurde für Normalbürger erschwinglich. Und deshalb kamen Einflüsse aus aller Welt in die westliche Welt. Yoga und Meditation sind ja keine Dinge, die erst in den letzten 20 Jahren aufgetaucht sind. Und deswegen bot es sich an, eine Musik zu schaffen, um den unruhigen Geist in geordnete Bahnen zu lenken. Ambient ist aus meiner Sicht eine Symbiose aus der Möglichkeit die Musik mit geeigneten Mitteln (d.h. Synthesizern) zu erzeugen und kulturellen Einflüssen.

Steve Roach – Dreamtime Return

Den letzten Absatz habe ich mehr oder weniger als Überleitung zum nächsten Album geschrieben. Denn hier kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu, der gern bei Ambient genutzt wird – Field Recordings. Dieser sperrige Begriff bedeutet nichts anderes, als Aufnahmen zu machen und diese in ihrer originalen Form oder modifiziert in die Musik einfließen zu lassen.

Dreamtime Return ist nicht unbedingt ein reines Ambient-Album, doch als 1988 erschienenes Werk vermittelt es, wie sich Ambient entwickelt bzw. verstanden wird. Wie ich oben schon geschrieben hat, ist Ambient eine Musikrichtung, die keine klaren Grenzen hat. Dreamtime Return arbeitet an der Grenze zwischen New Age und Ambient. Hier kommen teilweise Drums zum Einsatz. Außerdem konzentriert sich Steve Roach mit seinen Einflüssen auf Australien, d.h. Gesänge von Aborigines, Didgeridoo bzw. Titelnamen deuten darauf hin.

Hier hatte ich weniger Berührungsängste. Dreamtime Return hatte eine gute Mischung an Titeln. Einige hatten eine angenehme Länge von ein paar Minuten, und das steigert sich bis zu einer halben Stunde. Trotzdem war mir das Album zu altbacken. Während Music For Airports keinen zeitlichen Bezug zu haben scheint, hört man die 1980er schon eher bei Steve Roach heraus.

Harold Budd – Lovely Thunder

Ein weiterer Name, der mir auf der Suche nach Ambient-Künstlern häufig über den Weg lief, war Harold Budd. Harold hatte im Laufe seine Lebens unzählige Alben veröffentlicht, gerne auch als Kollaborationen. Deswegen war meine ursprüngliche Wahl eigentlich die Zusammenarbeit mit den Cocteau Twins und ihrem Album The Moon And The Melodies gewesen. Wow, hatte ich daran zu kauen! Gefühlt war das Album eigentlich keine Zusammenarbeit sondern jeder hatte eine Schicht erzeugt und die wurden auf einander geklebt. Egal, ob es gut klang oder nicht. Die Stimme von Elizabeth Fraser, der typische Gitarrensound von Robin Guthrie und dann Harold Budd. Das war alles andere als ein Genuss.

Deswegen unternahm ich einen zweiten Versuch und zog das 1986er Album Lovely Thunder. Die ersten Alben ließ ich außen vor, denn da hatte Harold mit Brian Eno zusammengearbeitet bzw. auf dessen Label veröffentlicht und diese Nähe wollte ich ausschließen.

Trotzdem hatte ich meine Probleme mit dem Album. Die meisten Titel haben eine radiotaugliche Länge. Bis auf den letzten Titel Gypsy Violin und gerade der gefällt mir am wenigsten.

Biosphere – Inland Delta

Zum Abschluss das versprochene neu erschienene Album. Hier habe ich es mir etwas einfach gemacht und einen Künstler herausgegriffen, der wie Brian Eno der Inbegriff des Ambient ist – Biosphere. Hatte Geir Jenssen mit seinen ersten beiden Alben noch einen Hauch von Techno in seiner Musik, war Polar Sequences mit HIA ein Gamechanger.

Ich hatte natürlich im Laufe der Zeit immer wieder in die Alben von Biosphere reingehört, fand aber keinen Zugang oder zumindest nahm ich mir nicht die Zeit dafür. Mit der Inland Delta sollte sich das ändern. Ich glaube, Biosphere ist ein Künstler, dem es nicht nur darum geht, angenehme, warme Klänge an einander zu reihen, sondern auch ein Konzept bei der Erstellung seiner Musik zu haben.

Inland Delta erschließt sich beim Hören nicht, auch wenn man nach Hintergrundinformationen sucht findet man nur den Hinweis, dass Geir für die Produktion alte Synthesizer genutzt hat, die restauriert wurden. Trotz alledem verflog die Zeit mit dem Album schnell. Es war weniger sperrig wie oben erwähnte Polar Sequences, wo der letzte Track daraus besteht, dass man Gletscher knacken und Eis schmelzen hört.

Jetzt kann ich natürlich versuchen einen Vergleich zu den oben genannten Alben zu machen. Natürlich hat der technologische Fortschritt das Spektrum der Möglichkeiten enorm erweitert. Das erlaubt den Künstlern Ambient zu formen, der nicht nur warm, weich und ruhig daher kommt, sondern sich auch auf andere Musikstile hinbewegt. Und mit seinen Wurzeln, die tief in die Musikgeschichte hineinreichen, haben die Künstler jede Menge Spielraum für Referenzen.

Fazit

Was war: Ambient war bisher nichts für mich. Entweder war der Spannungsbogen zu flach, sodass ich nach 5 Minuten die Lust daran verlor. Oder es klang wie eine dystopische Alien-Invasion und damit sperrig und nach wenig Wohlgefallen. Suchte man nach Kritiken, fand man feiernde Fans, die sich freuten, weil der Künstler seine VX3000S von Hand umgelötet hatte, um diesen speziellen Sound zu erzeugen. D.h. die Musik war nur greifbar, wenn man den Prozess kannte.

Was ist: Es hat mir Spaß gemacht, ein bisschen in die Historie des Ambient abzutauchen. Selbstverständlich habe ich größten Respekt davor, was Brian Eno & Co. mit damaligen Mitteln geschaffen haben. Von dem Ansatz ganz zu schweigen. Manche Stücke sind Ende der 1970er entstanden und passen auch problemlos in die heutige Zeit. Damit würde ich mich zu der Aussage hinreißen lassen, dass Ambient doch eine sehr zeitlose Komponente hat. Natürlich nur unter der Voraussetzung, die ich vorhin gerade erwähnte, dass es nur um die Musik geht und nicht den Prozess der Erstellung.

Was wird: Ambient wird weiterhin nur eine Randrolle bei meiner Musikauswahl spielen. Ich finde die Selected Ambient Works I & II von Aphex Twin nach wie vor sensationell. Auch Mobys Long Ambients erfüllen ihren Zweck, wenn ich nachts mal grübelnd dasitze und etwas brauche, um meinen nervösen Geist zu beruhigen. Aber Ambient wird nie die Musik sein, die bei mir läuft, um sie aktiv zu hören.

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