Endlich! Im Orbit Juli 2023 kommt wieder mit genügend Schwungmasse daher, damit ihr nicht denkt, dass der Beitrag nur ein Platzhalter ist. In der Juliausgabe reicht die Spanne wirklich weit – von Ambient bis Techno.
Defset – Content#1
Jetzt klingt Content#01 EP schon ziemlich generisch. Aber vielleicht möchte der Brightoner Defset einfach mal vorfühlen, was so passiert. Normalerweise sind seine Musikstücke introvertiert und melancholisch, was im Club doch ein ziemlicher Stimmungskiller ist. Also versucht er sich mit der Content-Reihe an Club orientierter Musik. EMK hat schon 2021 sein Debütalbum Proximity und 2022 die A Movement Of Note EP veröffentlicht. Der folgt am 14. Juli die Content#01 EP.
Der erste Track Skips fängt schon ordentlich an, eine kleine Erinnerung an Acid-Tracks in den 90ern. Ähnlich funktioniert auch Wookie, wobei der Track doch eher housiger Natur ist und demzufolge mehr Groove mit sich bringt. Etwas aus der Reihe schlägt der Track Bahttime 23, der aber gleichzeitig mein Favorit auf der Scheibe ist. Im Original schon auf seiner LP von 2021, hat er hier einen 4/4 Remix erstellt, der mit unglaublichen Echos daherkommt und durch seinen intensiven Bass kaum Luft zum Atmen lässt.
JohannesK – Is The Tree Dead?
Is The Tree Dead? mag initial wie eine Frage klingen, die das Thema des Waldsterbens in sich trägt. Doch viel mehr zielt JohannesK damit in die philosophische Richtung. Dahinter verbirgt sich der Gedanke, ob man die Ideen, die man sät, auch irgendwann Früchte tragen. Oder hat man sich an einem Punkt für eine Richtung im Leben entschieden, die sich dann als weniger sinnvoll erscheint.
JohannesK hat in seinem Leben auch schon mehrere Dinge ausprobiert. So begann seine musikalische Karriere im Bereich des Punk. Danach zog es ihn zum Industrial und nun liegt sein Solo-Debüt vor, die am 7. Juli auf LowEnd erscheint. Der erste Track Mosquitos hat den Rhythmus eines ratternden Zuges auf Schienen, wirkt aber in Kombination mit dem Titelnamen und durch seine Filter so, als würden wir den Flügelschlägen eines Moskitos zuhören. Und endlich langsam, in einer Nerven zerreißenden Zeitlupe.
Deswegen bin ich erleichtert, als das Rauschen verklingt und Leaves erklingt. Zusammen mit Concrete Cracks sind hier zwei Songs entstanden, die von stocksolider Arbeit künden. Etwas mystisch, dark und geheimnisvoll, aber ohne großen Schnickschnack. Aber der heimliche Favorit ist Ritual, der vierte und letzte Track. Initial versteckt er sich hinter der Maske des Bassdrums, um dann während des Breaks seine sanfte Seite zu enthüllen.
Gatos Negros – Hi Score
Eine der Musikrichtungen, mit denen ich ein wenig zu kämpfen habe, ist Ambient. Ambient ist laut Wikipedia ein Genre der elektronischen Musik, bei sphärische, sanfte, langgezogene und warme Klänge dominieren. Schon allein durch diese Beschreibung tritt ein Problem zu Tage. Die langgezogenen Töne lassen mich schnell Melodien oder Klangfolge vergessen. Ergo, es fällt mir schwer die Songs eines Künstlers auseinander zu halten.
Und dann kommt noch dazu, dass sich nicht jeder, der Ambient macht, auf warme, sanfte Klänge einlässt. Es kommen Atonalität, verzerrte Klänge, Field Recordings oder Gesprächsfetzen dazu, die aus dem ursprünglich, gedachten Genuss ein anstrengendes Gebilde machen. Aus dem Grund ist für Ambient in Kombination mit Experiment etwas, wo ich schnell Nein sage.
Ziemlich lange Vorrede für das Album von Gatos Negros. Ich war initial geneigt, die Promo abzulehnen. Aber ich weiß um mein Vorurteil und deswegen habe ich mir einen Ruck gegeben, denn jede Musik hat es doch zumindest verdient einmal gehört zu werden. Meine Überraschung war, dass ich ziemlich schnell beim vorletzten Titel war und ich das Werk doch sehr gut fand.
Ich würde es jetzt nicht unbedingt als Album zum Schlafen empfehlen, dazu spielen die verzerrten Gitarren zwischendurch doch zu laut auf. Aber die Grundnote ist doch sehr angenehm. Und dafür, dass Hi Score das zweite Album von Gatos Negros ist, klingt es schon sehr erwachsen und mit vielen Ideen durchzogen. Erscheinen wird Hi Score auf Made in Green Records am 7. Juli.
Moderna Y Theus Mago – Dog Is Calling You
Dog Is Calling You ist nicht neu. Aber auch nicht alt. Original erschien die EP 2016 auf Lumière Noire. Jetzt wird es ein Comeback der EP am 14. Juli geben, wenn die Tracks von Moderna & Theus Mago zusammen mit ein paar neuen Remixen auf Duro erscheint.
So sind jetzt sieben Stücke zusammengekommen. Man spürt etwas, dass die Originale und die Remixe von einander abweichen. Den ursprünglichen Songs hängt noch etwas zaghaftes an, während die Remixe wesentlich selbstbewusster und aggressiver klingen. Mein persönlicher Favorit ist Papa en roy im Alinka Remix. Der trägt den Basslauf, der im Original nur in der zweiten Hälfte dazu kommt, über den gesamten Song, was dem Ganzen etwas hypnotisches verleiht.
Die Dog Is Calling You gefällt mir nicht ganz so die Give Chance A Trance von letztem Monat, vielleicht weil die Tracks mit ihrem teilweise trancigen Charakter mir den Einstieg doch einfacher gemacht haben.
Sally C – Big Saldo’s Chunkers 003
2020 wurde das Label Big Saldo’s Chunkers gegründet. Während sich mittlerweile der erste Release im vierten Repress befindet, war die zweite Veröffentlichung voran mit dem Track Downtown schon ein Hit, der über 30mal auf BBC Radio 1 lief. Nun legt Chefin Sally C mit Big Saldo’s Chunker 003 nach.
Für mich immer noch ein definitives Rätsel, wie die Briten mit diesem Uptempo-House klarkommen. Der letzte der vier Tracks – Get Up – dreht das Tempo bis auf 144 BPM hoch. Außerdem verwendet Sally ein ziemlich simple Sprache. Klar strukturierte Tracks, prägnante Basslines und darauf bewegen sich Vocal-Samples, die abstrahiert den Tracknamen reflektieren.
Die BSC 003 wird am 13. Juli erscheinen und Sally C gibt zu, dass sie noch keine volle EP auf einem anderen Label veröffentlicht hat. Deswegen wollte sie etwas anderes ausprobieren und diesen Ansatz mit der Energie ihres Labels kombinieren, um Chunkers voranzutreiben.
HI-LO – Crescendo EP
Kein Sommer ist heiß genug für Drumcode und auch keine Zeit für sanfte Melodien. Deshalb legt Oliver Helden aka HI-LO mit seinem neuen Werk Crescendo EP nach. In der Welt der Musik bedeutet Crescendo lauter werdend. Das trifft auch ziemlich genau auf den Titeltrack zu. Der poltert erst einmal in Drumcode Manier los und lässt dann einen Break los, der kein Tanzbein sitzen lässt.
Dazu gesellt sich noch Open Your Mind. Nein, nicht die Dance Nummer aus den 90ern. Sondern als Pate für diesen Track stand DK8s Klassiker Murder Was The Bass. Schon beim Original konnte ich mich nicht entscheiden, welche Seite mir besser gefiel. Die düstere, bratzig brummende 4/4-Techno-Nummer oder das Original mit seinen Breakbeats. Welcher Track wohl Oliver als Vorlage genutzt hat, werden wir am 21. Juli erfahren.
Vhyce – Out Of The Blue
Als ich auf die EP von Vhyce blickte, dachte ich initial – Wow, acht Tracks auf der Out Of The Blue, das ist mal eine umfangreiche EP. Als ich genauer hinschaute, merkte ich, dass es vier Tracks sind und dann vier Radio Edits davon. Und als ich dann einen dritten Blick wagte, merkte ich, dass es eigentlich zwei Originale und zwei Remixe sind. Also in Summe bekommt man das heruntergepitchte Vocal „Who am I to say something out of the blue and feel nothing“ in sechs Tracks zu hören.
Aber bevor ich näher darauf eingehe, mache ich einen Crosscheck. Kenne ich Vhyce? Ja, er hat letztens einen Remix zu Daddy Squads We Can Work It Out geliefert. Und genau diesen Remix habe ich gefeiert. Jetzt bekomme ich also mal was Originales zu hören.
Das Interessante an dem Release ist, dass das Original von Out Of The Blue auch perfekt in den 90ern hätte laufen können. Das griechische Duo Boy’s Shorts packt dann eine mehr housige Bassdrum drunter und macht den Track dadurch einen Ticken knackiger. Im Gegensatz dazu liefert Franz Matthews eine eher funky Bassline und lässt dadurch mehr Sommer in den Song.
Bleibt zum Schluss noch der etwas allein stehende Track Foreign Nature. Der freundet sich schon eher mit dem oben erwähnten Remix von Daddy Squad an und ist somit der heimliche Favorit. Aber das Rampenlicht steht nun mal auf Out Of The Blue. Die EP erscheint am 21. Juli auf dem neu gegründeten Label des Belgiers Saint Vaast Recordings.
Alinka – Day Dreamer
House ist eine zeitlose Musik. Klassiker aus den 90ern funktionieren damals genau so wie heute. Alinka wollte diese Unabhängigkeit einfangen und bringt am 21. Juli auf Twirl Recordings die Day Dreamer mit drei Tracks heraus.
Doch bis dahin war es ein weiter Weg. Alinka kommt ursprünglich aus Kiev. Nachdem sie 10 Jahre lang auflegte, startete sie zusammen mit Shaun J. Wright 2014 in Chicago eine Partyserie, die Twirl hieß. Dieser folgte dann auch das gleichnamige Label. Jetzt folgt im Juli 2023 der Relaunch des Label mit der Day Dreamer.
Mit dem neuen Release wollte sie die Trauer um den Tod ihrer Großmutter verarbeiten, die sie großgezogen hat. Damit verbunden ist natürlich ihre ukrainische Vergangenheit und die aktuellen Ereignisse in ihrer Heimat. So fand sie in den Songs etwas Trost. Sie sagt selbst, dass sie Chicago House für einen zeitlosen Stil hält. Denn die Musik klingt heute noch genau so fresh, wie damals, als sie sie damals zum ersten mal gehört hat. Und da kann ich nur zustimmen.
Adam Beyer – Robotic Arms
Und noch eine Drumcode, die aber am 28. Juli erscheint. Diesmal kommt sie von keinem geringeren als dem Labelchef Adam Beyer selbst. Der hat sich mit dem Titeltrack Robotic Arms mit dem Thema KI musikalisch auseinander gesetzt.
Adam sagt zum Thema KI, dass ihn das Thema fasziniert. Er ist neugierig wie es sich in Zukunft entwickeln wird. Es ist für ihn gleichzeitig eine Gefahr, als auch eine Chance, wenn man die KI als unterstützendes Werkzeug beim künstlerischen Prozess begreift.
Robotic Arms war zusammen mit dem zweiten Track No Hate bereits in mehreren Sets von Adam Beyer diesen Sommer zu hören. Dabei unterscheiden sich beide so sehr. Robotic Arms dürfte dabei mehr den Festivalcharakter haben. Ein schöner Break, dass setzt das Rave-Signal ein und sollte damit keinem Set fehlen. No Hate hingegegen ist der dunkle Zwilling, der zwar auch mit einem Break ähnlicher Länge kommt, aber keinen Raum lässt, um Luft zu holen.
Zusätzlich zu dem Duo gibt es noch bei Beatport den Trippy Mix von No Hate der nah beim Original bleibt, aber noch auf eine hypnotische Sequenz setzt und damit den Effekt des Tracks verstärkt. Somit mein ganz klarer Favorit. Um in den Genuss dieses Tracks zu kommen, muss ich auch Beatport verweisen, denn den gibt es nur dort!