Im Orbit Juni 2023 bringt uns natürlich wieder neue Musik. Ein neues Album von Daddy Squad auf AAA Battery, eine EP von Al Zanders auf UTM, Drunken Kong auf Drumcode und jede Menge Philosophie über Promos und Erwartungshaltungen.
Irgendwie komme ich langsam in eine Zwickmühle. In unregelmäßigen Abständen melden sich Promo-Agenturen / PR Agenten bei mir und wollen mit mir zusammenarbeiten. Natürlich bin ich dann immer Feuer und Flamme, weil sie zum einen mit großen Namen aufwarten. Aber auch wenn ich schon im Voraus weiß, dass es dann doch „nur“ die Künstler sind, die im Line Up im kleingedruckten Bereich stehen. Trotzdem freue ich mich.
Die Realität sind dann meistens anders aus. Man bekommt Spotify-Links auf gerade erschienene Releases oder nur Schnipsel von neuen Releases. Und da frage ich mich, ob ich einfach zu gierig bin oder die Promoter zu knauserig? Hörte man früher „Promo“ war von einem Vinyl oder einer CD die Rede. Heute ist es eine digitale Kopie, d.h. keine Material- bzw. Versandkosten.
Um es deutlicher zu machen, ziehe ich mal einen Vergleich. Wäre ich ein Food-Blogger und meinetwegen Katjes kommt auf mich zu und denkt, dass eine Kooperation sinnvoll wäre, dann wäre das Ergebnis im Vergleich mit den Musik-Promotern folgendes: Sie schicken mich in den Supermarkt, mir das Produkt selbst zu kaufen und dann darüber zu berichten. Merkt ihr was? Das ist keine Promotion, das ist Werbung und zwar so, dass sie den Auftraggeber nichts kostet. Promotion wäre, wenn Katjes mir eine Packung ihrer noch nicht auf dem Markt erhältlichen kalorienarmen Yoghurt Gums schickt und ich davon schwärme.
Also halte ich mal für mich fest – da ich Musikliebhaber bin, reiche ich erst mal die Hand. Wie ich letztens schon sagte, es wird viel zu wenig über Musik geschrieben, gerade von Privatpersonen. Von daher soll das hier weiterhin die Plattform für Musik sein und jeder, der das liest, sollte die Gewissheit haben, dass ich nicht positive Reviews schreibe, weil ich gratis Musik bekomme, sondern wissen, dass mir auch mal eine Platte nicht gefällt und ich trotzdem ehrlich bleibe.
Daddy Squad – All Day All Night Automatic
Ich hatte mich ja schon positiv über We Can Work It Out im April ausgelassen. Jetzt folgt das Album von Daddy Squad. Diesmal im Gegensatz zur Single ein Album mit vielen Kollaborationen. Ein Name, der mir dabei direkt ins Auge springt ist S’Express. Nachdem ich in meinem Beitrag über Dance Music der 80er Jahre geschrieben hatte, dass S’Express einer der Namen ist, die in den 90ern verschwanden, bin ich froh mal wieder was von Mark Moore zu hören.
Weiterhin taucht der Name Dita von Teese auf. Mir bekannt als Burlesque-Tänzerin und Ex-Ehefrau von Marylin Manson. Sie hat ihre eigene Show, für den es den Titeltrack Glamoratrix gibt, der zusammen mit Daddy Squad produziert wurde. Und so reihen sich Name an Name, sodass in Summe dreizehn Tracks zusammenkommen.
Musikalisch liegt das Album All Day All Night Automatic im Bereich Disko, so als hätten die Pet Shop Boys ein neues Album aus ihrer Serie veröffentlicht. Mit 13 Titeln kommt da eine ordentliche Menge Energie zusammen. Disko ist immer ein bisschen Geschmackssache. Für mich interessant, wenn ich es mal nebenbei hören will, z.B. beim Auto fahren. Aber für konzentriertes Arbeiten oder ein tiefenentspanntes Zuhören doch zu schillernd. Erscheinen wird das Album am 16. Juni auf AAA Battery.
Al Zanders – Stars of IG
Was geht denn bei Undaground Therapy Muzik? Schon bei letzten Release von Nico Lahs hatte ich angemerkt, dass mir die Neuausrichtung sehr zusagt. Und jetzt liegt die Stars of IG von Al Zanders auf meinem Tisch, die am 23. Juni erscheinen soll.
Sie läuft und läuft und ich merke plötzlich, dass ich schon beim zweiten Titel bin. Wir hören drei Tracks mit phantastisch deepem House, die sich an der 2018 erschienen Guidance EP anlehnen, die auch schon auf Undaground Therapy Muzik erschienen ist.
Al Zanders kommt ursprünglich aus Sheffield und lässt mit dieser EP die Sounds von Chicago House und Nu-Disco einfließen. Gleichzeitig ist Al auch Inhaber des Labels A-Z Records und hat kürzlich mit seinem Track Long Gone auf Blind Jacks Journey die 3-Millionen-Streams-Marke bei Spotify hinter sich gelassen.
Drunken Kong – I Want To See
Hallo Drumcode, willkommen an Bord! Bei Drumcode steht Veröffentlichung Nummer DC283 am 16. Juni an. Auf dem Cover finden wir Drunken Kong als Künstler und das Werk trägt den Namen I Want To See. Muss bei Release #283 noch erwähnt werden, dass Adam Beyer Gründer des Labels ist? Ich denke nicht, dass sollte zum Techno-Grundwissen dazu gehören.
Mit Drumcode habe ich bisher immer nur eine kleine Schnittmenge geteilt. Ihr Sound war mir im Bereich der EPs zu tough. Das soll nicht heißen, dass der Sound schlecht ist, auf keinen Fall. Aber für mich für den Heim-/Arbeitsplatz bzw. Autobereich eher ungeeignet. Was schon eher mein Ding ist, sind die Alben. Da ist der Zielbereich nicht so sehr der Dancefloor, sondern da gehen auch mal sanftere Töne zwischendurch.
Die ganze Vorrede diente quasi als Überleitung zu Drunken Kong. Drunken Kong kommt aus Japan und sie sind Residents in Tokios Club Womb. Würde ich jetzt das Vocal und den langen Break herausschneiden, hätte ich den „typischen“ Drumcode-Sound. Straight forward Techno, der ohne Umwege zum Dancefloor führt. Jetzt legt sich aber bei I Want To See noch so eine schöne Stimme über den Song, die schon allein dafür sorgt, dass ein gewisser Trance-Effekt entsteht. Der Break und der Drop sitzen perfekt, von daher wäre ich froh, wenn ich den Rest der EP auch hören könnte. Klingt vielversprechend!
DC Salas – Pressure
DC Salas ist Resident im Club Fuse in Belgien. Mit seiner neuen EP Pressure möchte er neue Texturen ausprobieren und gleichzeitig Einflüsse aus Trance und den 90ern mit verarbeiten. Damit möchte er sein Profil erweitern und so ein größeres Publikum erreichen.
Das mag vermutlich der Grund sein, warum der Track Light In The Distance in zwei Versionen vorliegt. Als Original und als Radio Edit. Mein Jugend-Ich ist begeistert – zwei Versionen des gleichen Songs. Mein erwachsenes Ich fragt sich, warum man dann nicht gleich den Song zwei mal hintereinander hört. Aber tauchen wir dazu mal tiefer in den Song ein.
Light In The Distance klingt zu Beginn wie eine der vielen Tech-House Nummern, die in den letzten Jahren erschienen sind. Der Basslauf weckt Erinnerungen an das Album von Seb Zito. Aber dann wandelt sich der Track und bringt uns erst unterschwellig ein Trance Gate, was sich immer mehr nach vorn arbeitet. Mir gefällt, dass es keinen omni-potenten Break gibt, der sich minutenlang hinzieht. Breaks sind drin, werden aber nicht überreizt.
Um wieder auf den Unterschied zwischen Original und Radio Edit zurück zu kommen, ist die Songstruktur die gleiche, nur die Patterns laufen beim Original etwas länger. Bei mir hinterlässt der Song ein Gefühl von Nostalgie an die 90er, aber auch einen zeitgemäßen Eindruck. Hier ist ein Geist am Werken, der gute Ideen hat, die noch wesentliches Potenzial für mehr Tiefe haben.
Man darf also auf die anderen Tracks der EP gespannt sein, die am 16. Juni auf R.A.N.D. Muzik & Echocentric erscheint.
Daddy Squad – Together Forever
Okay, schon wieder Daddy Squad. Aber wenn es noch eine EP aus dem oben vorgestellten Album geben muss, dann ist es Together Forever, die am 16. Juni auf AAA Battery erscheint. Das ist der Gute-Laune-Party-Disco-Song. Ich bin ja grundsätzlich ehrlich – das ist nicht mein Stil. Aber auch ich muss neidlos zugestehen – wenn die Party läuft und du kommst mit dem Track, dann bleibt keiner sitzen.
Begleitet wird der Track von zwei Remixen. Zum einen der Protopapa & Hey Cabrera! Remix, der aber ziemlich nah am Original bleibt. Remix Nummer zwei kommt von Emmet Read und lebt eigentlich von einem Break, der mal locker ein Drittel des gesamten Tracks ausmacht. Trotzdem ist das für mich der bessere der beiden Remixe, weil der Stil doch mehr meinem Geschmack entspricht.
Moderna Y Theus Mago – Give Chance A Trance
Immer offen für Neues zu sein, so habe ich es mir zumindest vorgenommen. Als ich ein paar neue Promos bekommen habe, war ich von dem Stil überrascht. Die Give Chance A Trance wird damit die erste EP sein, die einen neuen Sound verkörpert. Hinter der EP stehen Moderna Y Theus Mago, deren Werk am 16. Juni auf Duro erscheinen wird.
Für die Musik müssen wir eine kleine Zeitreise in die frühen 90er unternehmen. In Europa kam es mit dem Phänomen eine kulturelle Verschmelzung mit dem aufkommenden Phänomen Techno. EBM, Italo Disco und noch viele andere Stile kokettierten mit der neuen Musik. Und genau so klingt diese Musik jetzt. Jetzt klebt das Logo „Dark Disco“ über der Musik, aber für einen wie mich, der schon sehr lange dabei ist, finden sich Elemente der 80er Jahre wieder, auch früher EBM und natürlich hier und da ein wenig Italo Disco.
Dark Disco trifft es aber schon ganz gut. Es gibt einen treibenden Beat, hypnotische Vocals, die einen gefangen halten und trotzdem eine Hook Line. Natürlich klingt das nach viel Farbe, aber verschiebt man alles in eine dystopische Richtung, wird das der Soundtrack, den wir uns damals zu Max Headroom gewünscht hätten.
Bonnie Spacey & Franz Matthews – Trust, Process, Control
Bleiben wir gleich mal im Bereich Dark Disco. Wo ich die Genres jetzt das erste Mal gelesen habe und die Musik dazu lief, dachte ich mir, dass es doch ziemlich treffend ist. Und dazu kam noch etwas: Indie Dance. Sehr gut gewählt, denn das spricht dazu, nicht gefallen zu wollen. Nicht jedem Hype hinterher zu rennen, um möglichst viele Platten zu verkaufen.
Und so höre ich den Titel Out Of Control. Der Song hat durch das Vocal von Bonnie Spacey etwas hypnotisches, aber er bleibt auf dem Teppich. Für einen Moment muss ich an Krieger von And One denken. Zu Bonnie Spacey aus Marseille gesellt sich Franz Matthews, der in Berlin wohnt und zusammen veröffentlichen sie am 16. Juni ihre EP Trust, Process, Control auf HIFI/LOFI.
Neben Out Of Control ist noch der Trust The Process mit im Spiel, der etwas ruhiger daher kommt. Verspielte Synths tanzen um den stoisch hämmernden Beat herum und dazu gesellt sich wieder die Stimme von Bonnie Spacey. Für den Break lässt sich der Track etwas gehen und verliert die Kontrolle, ganz im Gegensatz zum Titel der EP.
Disfreq – 909303
Disfreq kommen aus Donegal in Irland und gehören zu den Durchstartern für 2023. Nachdem sie ein Mini-Album auf Diynamic veröffentlichten, folgt am 23. Juni ein Release auf Adam Bayers Truesoul mit dem Namen 909303.
Inspiriert von den Techno-, Trance und Progressive House-Sounds der 90er liefert das Duo vier Tracks, die querbeet zwischen Housepianos und einer zwitschernden 303 alles im Programm haben.
Wo ich initial den Titel der EP gelesen habe, rechnete ich mit einem minimalen Mix aus 909 und 303 wie man ihn seinerzeit aus den ersten Rebirth-Versionen geholt hat. Das Ergebnis ist tatsächlich vielschichtiger. In Batida steckt irgendwie Is It True? von Metrixx drin und trotzdem doch ganz anders. Unterm Strich durchgängig gut und vielfältig.
Ashee – Oxytocin / Motomami
Oxytocin von Ashee kreist schon länger durch die Clubs. Aber wer diesen Track auf Vinyl haben will, wird ab 26. Juni sein Glück haben. Denn ab dann gibt es den auf limitiertem Vinyl. Ich habe auf meinem Sheet stehen, dass es ein White Label ist, discogs listet die Scheibe als ersten Release von Ashees gleichnamigem Label. Sollte aber für die Musik keine Rolle spielen.
Oxytocin kommt sehr minimalistisch, ein gut laufender Bass, ein paar Samples, aber Hauptteil des Tracks wird von der hypnotischen Stimme getragen. Was mir gefällt ist, dass es nicht einer von den Songs ist, der die Massen aufheizt und einen langen Break hat, um die Leute hinzuhalten, sondern er ist ein Worker – einer, der die Party am Laufen hält. Dazu kommt noch auf der B-Seite Motomami. Nicht mehr ganz so meins, aber passt trotzdem gut dazu.
Umek – Footmachine
Umek kenne ich durch sein Album Neuro, das 2002 erschienen ist. Also ist der Name für mich eine etablierte Institution im Bereich Techno. Um so überraschter war ich, als ich las, dass Umek jetzt sein Debüt auf Drumcode hat. Für mich war der Sound von Umek immer Drumcode kompatibel.
Zu seinem neuen Release Footmachine gibt es noch eine interessante Story. Ungefähr 1998 lernten sich Umek und Adam Beyer in Umeks Heimat Slowenien kennen. Umek schickt ihm kurze Zeit darauf ein Demo und bekommt keine Antwort. Verständlicherweise versucht er Fehler zu finden. Aber Umek kommt zu der Erkenntnis, dass das Grübeln keine Lösung für eine Ablehnung ist. Man lernt aus Fehlern, nimmt Tipps entgegen und entwickelt sich weiter. Auch wenn es 20 Jahre dauert…
Und dazu muss man sagen, dass Footmachine ein lupenreiner Drumcode Track ist. Umek sagt zu dem Track, dass er für die Vocals mit KI herumprobiert hat. Er meint, da ist Luft nach oben, aber es wäre eine interessante Erfahrung. Erscheinen wird der Track am 30. Juni.