Der Winter neigt sich langsam dem Ende und die Labels zeigen langsam, welche Richtung das neue Jahr einschlägt. Die Plattenkiste Februar 2023 zeigt sich noch etwas verhalten, aber was ich bisher entdeckt habe, stimmt hoffnungsvoll.
Jetzt im Februar habe ich es endlich geschafft, das Lebenswerk von Wolfgang Voigt durchzuhören. Und dabei sind das „nur“ seine Aufnahmen zwischen 1991 und 1999. Und auch nicht alle. Aber trotzdem hatte ich wieder Zeit, mal bei eBay vorbeizuschauen und eine kleine Sammlung mit Klassikern zu entdecken. Viele alte Bonzai-Sachen, ein paar Rave-Compilations.
Mittlerweile ist es mir nicht mehr peinlich, wenn ich den alten Kram kaufe. Ich stehe dazu. Muss ich eigentlich auch nicht, weil sowieso alle gerade auf einer Retro-Welle schwimmen und sich die Künstler von „damals“ mit Re-Releases aufstellen und aktuelle Remixe dazu liefern. In letzter Zeit habe ich viel darüber nachgedacht, wie ich zum Thema Techno im Laufe der Jahre sehe. Aber das wird ein Beitrag für electro-space monthly werden.
Die Welt der Techno-Musik ist stets in Bewegung und es gibt immer wieder neue Veröffentlichungen, die die Fans begeistern. Ob eingängige Melodien, hypnotische Beats oder experimentelle Sounds – die Vielfalt ist groß. In diesem Blogartikel werfen wir einen Blick auf aktuelle Techno-Veröffentlichungen und stellen einige vielversprechende Künstler und Tracks vor.
So würde sich ChatGPT die Einleitung zur Plattenkiste vorstellen
Pura Lempuyang
Es war weniger die Musik als das Logo des Labels, was mich auf diese Compilation aufmerksam gemacht hat. Pura Lempuyang, der sagenhafte Tempel auf Bali. Um die Aussicht zu haben, wie es das Logo suggeriert, muss man schon richtiges Glück mitbringen. Denn zum einen ist das Wetter auf Bali häufig von Regenschauern durchsetzt, sodass man sehr früh aufstehen muss, um diese Aussicht zu genießen. Und sollte es doch mal schön sein, ist die Schlange der Touristen nahezu endlos lang.
Aber um den Weg zurück zur Musik zu finden, fangen wir bei Wolken an, denn der erste Track von Sa Pa war sehr wolkig und wenig versprechend. Um so mehr klaren die folgenden Tracks auf und geben die Sicht auf einen deepen Dub-Techno frei. Mit 8 Tracks ist die Compilation nicht groß, aber man findet alles, was man braucht. J.S. Zeiter, Deadbeat, Gradient, um nur einige zu nennen.
Dave Angel – Glide
Ein zweischneidiges Schwert sind für mich neue Releases von Künstlern, die Anfang der 1990er schon aktiv waren. Das kann gut gehen, kann aber auch gewaltig nach hinten losgehen. Angenommen, du bist Künstler, hörst irgendwann auf und entschließt dich nach 20 Jahren doch mal wieder was zu machen. Dann kann es passieren, dass die Lücke, die du hinterlassen hast, von so vielen Künstlern gefüllt wurde, dass deine Neuauflage wie Einheitsbrei klingt.
Es sei denn, du erlaubst dir anders zu klingen, dich weiterzuentwickeln. Dann könnte das Ergebnis wie die Glide von Dave Angel klingen. Der Sound klingt jetzt nicht überraschend fresh, aber trotzdem anders, als man es von ihm gewohnt wäre. Im Gegenteil, Glide erinnert mich an Mijk van Dijks Soundtrack, der damals auf Superstition erschienen ist. Ich bin mit dem Ergebnis ganz zufrieden, es passt gut zu Rekids.
Connections
Könnt ihr euch noch an die Anfänge von Im Orbit erinnern. Da ging es gleich in einer der ersten Beiträge um Satya Records. Durch Zufall schaute ich mal nach, was sich so in der Zwischenzeit getan hat. Also hörte ich die verschiedenen Scheiben an, die nun erschienen sind. Und auch so ziemlich alle werden jetzt hier erscheinen.
Den Auftakt mache ich mit der Minicompilation Connections. Vier Tracks, von Labelgründer YokoO, der einen tanzbaren Enigma-Track abliefert, über Retza, der auch schon mit seiner Veröffentlichung in Im Orbit aufgetaucht ist. Dazu gesellen sich Francesco Mami und Zone+. Alle zusammen verbindet dieser deepe, aber trotzdem leichte Housesound, den man gekonnt ignorieren kann, aber auch herrlich dazu träumen kann.
Altone – Vortex
Es ist sehr schwierig die Releases von Altone zu finden, da Yuki Takasaki sich nie auf ein Label festlegt. Diesmal ist der Japaner auf Lempuyang unterwegs. Mitgenommen hat er auch den Isländer Yagya, der einen Remix zu seinem Titeltrack Vortex abliefert. Jetzt mal vom Yagya-Remix abgesehen, sind die beiden Tracks minimalistischer Dub-Techno. Dass Yagya da die epische Weite seines Heimatlandes mitbringt, muss ich dabei nicht extra erwähnen.
Somit gibt es die beiden Tracks Vortex und Customization, die dann noch wiederum um die Remixe von Yagya und Bluetrain erweitert werden. Also alles in allem vier Tracks mit schön, entschleunigtem Dub-Techno.
Zone+ – For Angels
Nachdem ich die oben genannte Connections gehört hatte, musste ich tiefer eintauchen. Also schaute ich, was sonst noch auf Satya passiert ist. Und ich entdeckte weitere EPs, die ich mir anhörte. Dazu gehörte auch die For Angels. Da konnte erst mal nichts schief gehen, denn Zone+ ist auch mit auf der Connections vertreten.
Und um den Bezug zum Label herzustellen, ist die Musik auf der EP wie Yoga für die Ohren. Nach einem stressigen Tag ist das einfach die perfekte Art herunterzukommen. Und von den Ohren geht der Sound tiefer in deinen Körper hinein, entspannt die Muskeln und wenn sich die Gehirnwindungen lockern könnten, würden sie es bei dem Sound der For Angels auch tun.
J.S. Zeiter – Universe EP
Gleiches wie Satya machte ich auch bei Lempuyang. Ich verbinde mit dem Tempel eine schöne Zeit auf Bali und deswegen schaute ich mir die Releases an. Und dabei entdeckte ich die Universe EP von J.S. Zeiter. Die ist zwar schon im April letztens Jahres erschienen, aber wie gesagt, Anfang des Jahres lasse ich noch Sachen aus 2022 zu.
Die Universe EP macht ihrem Namen alle Ehre. Spätestens bei Gravity Waves wird einem klar, worum es ist geht. Ein Sound der auf- und abschwillt. Natürlich sehr intensiv, denn es ist nicht das sanfte Rauschen eines Meeres, sondern hier werden Raum und Zeit verbogen. Abgeschlossen wird die EP mit ihren vier Tracks von Blueshift. Ein etwas ungewöhnlicher Begriff, denn bei einem Universum, das permanent expandiert, ist eine Blauverschiebung doch eher ungewöhnlich.
Blauverschiebung entsteht, wenn ein Objekt sich auf einen zubewegt. Natürlich nicht im Sinne eines Radfahrers, der auf einen zukommt, sondern z.B. eine Galaxis die sich in Richtung unserer Milchstraße schiebt. Das macht sie vielleicht mit vielen Hundert Kilometern pro Sekunde, aber in kosmologischen Sinne wirkt es wie ein Gruß aus weiter Ferne und das bringt der Titel perfekt rüber.
Son Kota – Termos
Die EP von Son Kota kann man schön laufen lassen. Mit einer Gesamtlaufzeit von knapp 35 Minuten hat man ausreichend Zeit darin abzutauchen. Die Termos beginnt mit dem Track Vroche, einem schönen deepen Electro-Stück, ideal für eine Fahrt durch die Nacht. Leider geht es nicht so ganz entspannt weiter. Die EP wechselt auf 4/4, träumt aber noch weiter vor sich hin. Das klingt jetzt so, als wäre meine Erwartung, dass hier noch ein zündender Track folgt. Aber da wäre meine Erwartung an das Label Satya ja komplett falsch.
Earth Trax – Closer Now
Ein neues Album von Earth Trax. Nachdem das letzte auf Shall Not Fade erschienen ist, veröffentlicht Earth Trax jetzt auf Lapsus. Wie schon beim letzten Album, ist das Cover kein Highlight. Aber warum auch. Ich stelle mir gerade vor, ich würde das Album streamen – da schaut keiner aufs Cover. Das Cover ist ein Relikt aus einer Zeit von physischen Tonträgern. Obwohl ja Vinyl stellenweise Streaming wieder überholt. Aber das ist eine andere Geschichte.
Das Album Closer Now fängt sehr ruhig an. Doch so ein bisschen wie das Cover vermuten lässt. Eine neblige, feuchte Nacht, die von einem Licht durchdrungen wird. Beim zweiten Song vermutete ich, dass er gleich losstampft, aber er behält seine Burial-Atmosphäre bei. Das Schöne ist, dass ich das Album sehr lebendig wahrnehme, aber trotzdem bleibt es gesetzt und im chilligen Tempo. Also schon sehr Sonntagnachmittag-Couch-Musik.