Das Motto der Plattenkiste Juli 2022 lautet diesmal: „Keiner steht auf, bevor nicht alle mit Essen fertig sind!“Mit der Ausgabe gibt es jetzt endlich den ganzen restlichen Schwung der Neuzugänge, die ich in der Pipeline hatte, aber irgendwie noch nicht die Muße hatte, darüber zu schreiben.
Hauptgrund, warum es diesmal so viel geworden ist, liegt in der Bestellung von Delsin, die endlich eingetroffen ist, jeder Menge Künstlern, die unverhofft mit Remix-Alben in die Sommerpause gingen und dann noch Schnäppchen beim Plattenkauf. Und diesmal schiebe ich nichts vor mir her, sondern nehme alle Platten rein, auch auf die Gefahr hin, dass sich die Plattenkiste hinauszögert.
Kimyan Law – Yonda
Eine CD hatte ich vom letzten Monat als Überhang. Wie ich bereits erzählte, gab es bei Spearhead 50% Rabatt und ich bestellte, was mir einfiel. Und dazu bekam ich noch eine gratis CD von Kimyan Law. Wer bei dem Namen in Richtung Asien tendiert, liegt daneben. Kimyan hat durch seinen Vater kongolesische Wurzeln, was für Musik vielleicht von Relevanz ist, so sicher bin ich mir da nicht.
Denn für einen Moment muss ich beim Hören der Yonda an Herbert denken, aber nur an den Stellen, wo Gesang auftaucht. Dann fließt ein Hauch von Trommeln mit ein, wo ich an Afrika denken muss. Und dazu kommt dann noch das Erscheinen des Album auf Blu Mar Ten Music, was eine Nähe von Drum & Bass nahe legt. Also im Großen und Ganzen würde ich das Album als Bucephalus Bouncing Ball meets Drum & Bass and Herbert beschreiben. Sehr experimentell, sehr fokussiert auf Drums, sehr minimalistisch.
Earth Trax – Shall Not Fade (DJ Mix)
Im Dezember 2020 entdeckte ich die Compilation 5 Years Of Shall Not Fade. Damals gab es noch den Podcast zu meiner Plattenkiste und ich spielte daraus einen Titel von Earth Trax. Fast zwei Jahre später gibt es wieder eine Compilation von Shall Not Fade, die jetzt komplett von Earth Trax zusammengestellt wurde. Das Cover verrät auch nicht mehr, als die beiden Fakten.
Wie immer ist es schön die Digitalausgabe zu besitzen, denn hier bekommt man die Einzeltitel und den DJ-Mix. Es beginnt sehr verträumt mit den Synthies von Computer Data. Im zweiten Tracks schleicht sich dann ganz langsam ein Beat dazu. Die Einzeltracks pendeln irgendwo zwischen Acid, Breakbeats, Tech House und relaxtem Melodic Techno.
Insgesamt fragt man sich jedoch, wie denn die Tracks dann zu einem Mix zusammenpassen. Zwischen den Tracks mag der Übergang hart sein, aber Earth Trax findet genau die Stellen, wo die Titel kompatibel zu einander sind. Und trotzdem ist der Mix fordernd, aber gleichzeitig herrlich entspannt.
Aquarian – Mutations II – Delicious Intent
Okay, Dekmantel – doch als ich in die Mutations II: Delicious Intent von Aquarian reinhörte, bekam ich große Augen. Tempo fast im Hardcore-Techno-Bereich, Breakbeat- bzw. Drum & Bass-Loops, Chords wie von T99. Kurz gesagt, eine wilde Mischung aus Stilen, die sich auch nahtlos ineinander verschieben. Mal ist es das Gefühl ein Stück von µ-Ziq zu hören, wie z.B. The Phonic Socks, dann wieder eine moderne Rave-Compilation.
Aquarian – Mutations I – Death, Taxes & Hanger
Vielleicht war es genau der wilde Mix an Stilen, der mich dann in den Vorgänger Mutations I: Death, Taxes & Hanger reinhören ließ. Hier muss ich sagen, dass alles noch sehr gemäßigt präsentiert wird. Schöne Breakbeat-Loops mit technoiden Sounds. Aber auch hier schon präsent – ein großes Tempospektrum, was aber zum Glück innerhalb der Tracks gehalten wird. Empfehlenswert sind beide Scheiben auf jeden Fall für jeden, mal was Experimentelles mag, aber sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen will.
Genetic Memories Vol. 1
Ein Format, was sich bei mir in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit erfreut, ist die Mini-Compilation. Eigentlich eine EP, d.h. meistens vier Songs, aber alle von verschiedenen Künstlern. Ziel – so vermute ich – ist die Präsentation von einem großen Spektrum an Künstlern oder Stilen. Und passend dazu ist jetzt die Genetic Memories Vol. 1 erschienen.
Der erste Track fängt noch relativ harmlos an, deutet aber schon, was mit dem zweiten Titel folgt. So spätestens nach 3-4 Minuten schaue ich jedes Mal ganz verwundert in die Playlist, was da gerade läuft. Denn für mich klingt es so fantastisch nach dem Speedy J, wie er mit G Spot oder !ive klang, dass ich schon die Befürchtung habe, dass jemand alte Titel von Harthouse oder Eye Q neu aufgelegt hat.
Was mir auch sehr gut gefällt, dass es jetzt eine Generation gibt, die sich genau wie ich damals, von der Verfilmung von Dune inspirieren lässt. Denn anders kann ich mir nicht erklären, dass als nächstes die Titel Atreides und Arrakeen folgen. Die sind im Stil zwar etwas anders als die beiden Vorgänger, aber trotzdem ganz feines Zeug.
Big Bud – Cinnamon / Sunrise
Von PFM habe ich ja in letzter Zeit ab und zu berichtet. Der macht immer mal auf sich aufmerksam, dass er Klassiker neu zusammenpackt und veröffentlicht. Mike verwies aber letztens auf seinen alten Good Looking Kumpel Big Bud, der auch Sachen auf Bandcamp veröffentlicht.
Besonders sprang mir da die Okbron 023 ins Auge. Was für eine Aneinanderreihung von Buchstaben ist das denn? Als ich mich schlau gemacht habe, wurde mir klar, dass es sich um ein russisches Label handelt. Auf discogs wird der Release als Cinnamon / Sunrise geführt, was auch gleichzeitig erläutert, dass es ein Release mit zwei Stücken ist.
Und der einzig wahre Grund mir diese Scheibe zu holen, ist dieser herrlich entspannte Drum & Bass. Es bleibt die Zeit für einen Augenblick stehen, es ist wieder dieser Sommer Ende der 90er Jahre, wo ich um die Mittagszeit ins Schwimmbad fahre und mich in die Sonne lege. Und dazu läuft eine Kassette mit genau dieser Musik. Ich schaue in den Himmel und sehe den Wolken beim Wandern zu…
Indio – Indio
Ich bin jetzt gerade überrascht – meine Plattenkiste gab es schon 2018! Denn damals schon habe ich über Indio geschrieben. Jetzt habe ich wieder einen Re-Release vorliegen. Diesmal ist Indio einzig und allein John Beltran. Aber genau wie beim damaligen Release, erschien das Album Indio auf Derrick Mays Transmat.
John Beltrans Musik ist einfach fantastisch. Sie ist immer wieder anders und trotzdem hat sie diesen unvergleichlichen Charakter, der sie so einzigartig macht. Damals, wie heute auch, springt John Beltran auf diesem Album zwischen Stilen hin und her, wie es ihm beliebt. Hat man sich auf Detroit Techno eingegroovt, klappert ein Stück durch die Boxen, was die Frage IDM? in den Raum wirft. Aber schon im nächsten Stück wird es eher jazzig.
Ab dem Song Free wird es jedoch immer ruhiger, bis das Album mit dem wohl schönsten Track von John Beltran ausklingt – Snowdrifts. Ganze Rudel von Gänse fliegen über meine Haut, denn mit neuneinhalb Minuten ist dieser Track gleichzeitig eine herzerwärmende Ode an den Winter aber auch an eisigen Wind und klirrend kalte, aber sternklare Nächte.
Bochum Welt – Desktop Robotics EP
Das Label Central Processing Unit (CPU) ließ es sich nicht nehmen, zum 25-jährigen Jubiläum von Desktop Robotics und Feelings On A Screen beide Klassiker von Bochum Welt auf einer EP herauszubringen. Jetzt sind aber nur 8 Titel auf diesem Werk, obwohl die Originale, die damals auf Rephlex erschienen sind, doch ein paar Tracks mehr beinhalteten.
Also machte ich mich auf die Suche und fand beide EPs bei der Bandcamp-Seite von Gianluigi Di Constanzo. Zwar sind die Titel auf der Desktop Robotics etwas kurz, aber die Vorstellung der Musik ist so unglaublich viel mehr. Für Fans von Aphex Twin ist diese Scheibe unverzichtbar. Irgendwo zwischen SAW und den frühen Werken von Richard D. James.
Bochum Welt – Feelings On A Screen
Im Original sind beide Scheiben 1997 erschienen. Damit entsprechen beide Releases eigentlich einem Review auf bisher erschiene Musik. Aber so betrachtet ist die Feeling On A Screen der logische Nachfolger. Nicht mehr ganz so sehr mit Aphex Twin verhaftet, schon eher mit eigenem Charakter.
Und der positive Nebeneffekt für den Kauf des Bandcamp-Releases ist der, dass diese Version sechs Stücke enthält. Zwar ist ein Großteil auch nur Remixe, aber die passen sich hervorragend ein. Der Mix, der meinen inneren Monk absolut aggro macht, ist der Like A Tim Micromix von Greenwich. Einer der Beats hat gegenüber dem Rhythmus einen minimalen zeitlichen Versatz. Ich möchte einfach ins Programm gehen und das Sample wieder um die Millisekunde nach vorn verschieben, die es hinterher hinkt.
Nostrum – EP 1
Es war mal wieder an der Zeit, meine Wantlist wieder etwas zu verkürzen. Also freute ich mich, als jemand die EP 1 von Nostrum in einem sehr guten Zustand für einen annehmbaren Preis einstellte. Leider ärgert mich immer, wenn ich die Platte einzeln kaufe, also kamen die beiden folgenden Platten auch mit dazu.
Die EP 1 erschien 1994 auf Time Unlimited und ist ein Meisterwerk des Hardtrance. Gerade was den Track Ejaculation betrifft. Siebeneinhalb Minuten genau auf den Punkt gebracht, ohne Schnörkel, mit einem Break, wo man den Boden unter den Füßen verliert und einfach schwebt. Und genau aus dem Grund muss diese EP einfach sein.
Mescalinum United – We Have Arrived
(Remixes By Aphex Twin & The Mover)
We Have Arrived von Mescalinum United ist unangefochten der erste Hardcore Track, der jemals erschienen ist. Als ich den Track das erste Mal hörte, kannte ich schon längst die Remixe von Aphex Twin. Und dementsprechend war das Original in meinen Ohren bei weitem nicht so hart, wie ich es erwartet hätte.
1992 erschienen zusammen mit einem Remix von The Mover (natürlich auch Marc Arcadipane) die beiden Remixe von Aphex Twin auf R&S Records. Der QQT Mix, der doch richtig heftig Industrial daher kommt und jedes Stahlwerk wie eine Heimwerkergarage aussehen lässt. Im Gegensatz dazu ist der TTQ Mix schon eher das, was man zu der Zeit von Richard kennt.
Ich glaube, R&S Records hat sich damals nicht viele Gedanken gemacht und ließ diese Remixe mit drei verschieden farbigen Labels erscheinen. Blau, Magenta und Violett. Leider hat meine violette Ausgabe keinen schönen gestempelten Aufdruck, sondern ist einfach nur farbig. Aber der Sound zählt ja.
Quazar – Flightrecorder
Ende der 1990er erschien das Album Flightrecorder von Quazar auf Superstition Records. Und als ich die Nostrum bestellte sah ich die Testpressung. Für einen Preis von 8 Euro eigentlich ein Schnäppchen. What could possibly go wrong?
Offensichtlich hatte man Ende der 90er Jahre noch ein entspanntes Verhältnis zum Thema Testpressung. Das bezieht sich jetzt nicht auf die Qualität der Pressung, sondern eher auf die Zusammenstellung der Musik. Das Album lebt ein bisschen von den Übergängen zwischen den Tracks. Bei der hier vorliegenden Testpressung hat man vermutlich erst mal probiert, wie man die Tracks auf die 4 Seiten unterbringen kann.
D.h. manche Tracks fangen gefühlt mitten drin an oder hören abrupt auf. Dafür ist beim Song Confusing The Sun, der mit etwas über 3 Minuten auf der CD veröffentlicht wurde, eine sechsminütige Version auf dem Album, die aber nichts anderes ist, als zwei mal der gleiche Song mit unterschiedlichem Finale. Also habe ich eine gute Vorstellung von dem Album, aber zusammenstellen muss ich es im Kopf alleine.
Brendon Moeller – Highly Concentrated
Ein neues Buch von Brendon Moeller mit 6 Kapiteln. Sechs Kapitel, die unter dem Titel Highly Concentrated stehen und dessen Herausgeber Delsin Records ist. Und ich denke, treffender könnte der Titel nicht gewählt sein. Diese EP ist keine leichte Kost. Sie mag verführerisch simpel sein, aber hört man genauer hin, versinkt man in Untiefen aus Echoes und Bässen.
Dazu habe ich den Fehler gemacht, die EP im Auto zu hören. Auf der Autobahn fallen die Bässe durch die Fahrgeräusche dahin und es bleiben die mittleren und hohen Frequenzen. Aber selbst da reicht es, denn Stück für Stück entwickelt sich die Geschichte weiter. Unaufhaltsam.
Elements – Mihai Popoviciu
In einer Mußestunde muss ich diesem Sound mal auf den Grund gehen. Mit dem Erscheinen der Meta-Releases war da das innere Bedürfnis in mir geweckt worden, wieder mehr von diesem Tech House zu hören. Wenn ich mich nicht richtig täusche, lande ich dann vermutlich irgendwo bei der Jahrtausendwende, wo das mit dem Album von Sender Berlin anfing.
Auf jeden Fall bietet die Elements: Mihai Popoviciu mit ihren fünf Tracks genau die richtige Stimmung für den Sommernachmittag. Das ist noch keine Musik, die abends laufen sollte. Sondern ich denke, dass der Sound perfekt so zwischen 17 Uhr und Sonnenuntergang perfekt läuft.
Prayer – A Love so True
Von Zeit zu Zeit ist doch mal wieder ein Breakbeat schön. So, wie er Anfang der 90er Jahre war. Hookline, hochgepitchtes Sample und fertig war die Sommerstimmung. Und deswegen ist jetzt bei die A Love So True von Prayer auf dem Plattenteller gelandet. Vier Tracks, die mir das Gefühl geben, dass die 90er nie vorbei waren und der warme Sommerwind der Ostsee immer noch durch meine Haare weht.
Na gut, vielleicht sollte ich das nicht so pauschalisieren, so ein Hauch von Pathos, wie er stellenweise bei Moby mitschwingt ist auch mit dabei. Also ist die EP quasi ein süßer Hauch von Melancholie.
Paul Roux – Emperia EP
Ich nutze den Monat Juli mal wieder, um auch ein paar Platten aus Bereichen nachzuholen, wo ich eher weniger Bedarf habe. Dazu gehört jetzt mehrheitlich der Techno-Bereich. Doch die Paul Roux hat mich doch irgendwie angesprochen.
Auf die Emperia EP bin ich durch die eher ruhige B-Seite gestoßen. Das deutet darauf hin, dass die A-Seite ordentlich Druck aufbaut. 140 BPM ballern durch den Lautsprecher. Die B-Seite ist dementsprechend wesentlich ausgebremster und melodiöser. Genau das Richtige für mich. Da sich die Tracks doch die Waage halten, habe ich mich letztlich dafür entschieden, weil die Techno-Tracks unter dem Strich doch nicht so prügelhart sind, sondern auch mit ihren Pads einen gewissen Hardtrance-Faktor erzeugen.
DJ Ruby – Augmented 008
Ich mag Compilations, muss ich jetzt einfach mal gestehen. Bei den Unmengen von Musik, die derzeit veröffentlicht werden, frage ich mich oft, wer sich die Mühe macht, das alles noch zu hören. Wobei gerade im Bereich der elektronischen Musik ein dichtes Netz aus Hörern, DJs und Musikern besteht.
Denn so gut wie jeder – und damit nehme ich mich ja nicht aus – der elektronische Musik hört, ist in die Versuchung gekommen, mal Musik zu machen. Trotzdem ist der Sprung zwischen den Heimmusikern und den Künstlern wie auf der Augmented 008 doch diskutabel. Denn schon der Auftakt kommt von Chris Zippel, dessen Vocal ich als das legendäre Sample von Cybordelics‘ Adventures Of Dama identifizieren würde.
Und damit schwebt mein Geist schon so friedlich dahin. Es ist dieser „Ich darf es nicht Trance nennen“-Trance. Oder passen wir es mal auf meine Generation an. Ausgelassen feiern ist halt nicht mehr so. Wo wir früher 22 Uhr angefangen haben uns fertig zu machen, sind wir jetzt froh wenn wir schon 22 Uhr im Bett sein können. Und so ist die Musik etwas gediegener, ruhiger, erwachsener. Auch wenn sie von Leuten kommt, die unsere Kinder sein könnten.
Aaron Jay Presents: Diaries From Detroit City
Die nächste Compilation hat mich vor einige Rätsel gestellt. Sie heißt Aaron Jay presents: Diaries From Detroit City und ist erschienen auf Influence Records. Beim Durchschauen der Titel entdecke ich Seba, der nun bestimmt nicht aus Detroit kommt. Also mache ich mich auf die Suche. Influence Records sitzen in Großbritannien und decken den deepen Bereich des Drum & Bass ab. Labelchef ist Aaron Jay.
Damit hätte ich eigentlich alles zur Compilation gesagt. Es sind 14 Titel, voller Drum & Bass, teil energetisch, teils sehr gechillt. Jetzt bleibt die Frage, die ich mir bis jetzt noch nicht beantworten kann: Was hat nun Detroit mit dieser Compilation zu tun?
High Contrast – True Colours
(20th Anniversary Edition + Remixes)
Das Debütalbum True Colours von High Contrast hat 20-jähriges Jubiläum. Grund genug, das Album noch mal als Spezialausgabe herauszubringen. Doch im Gegensatz zu anderen Ausgaben ist der erste Teil das Remix-Album mit Remixen von z.B. Logistics, BOP und Artificial Intelligence.
Nach dem Hören der Remixe, die dem aktuellen Zeitgeist entsprechen, folgt dann das Original. Völlig unvoreingenommen hörte ich rein und war überrascht. In Teilen ist es natürlich der High Contrast, den ich von seinen späteren Alben kenne. Aber da ist auch ein anderer Teil enthalten, der mich zurück genau in diese Zeit versetzt. Kurz nach der Jahrtausendwende war die Zeit von Good Looking. Und diese Ära spürt man deutlich in einigen Tracks.
Im Nachhinein muss ich ganz ehrlich zugeben, dass ich das Originalalbum ohne Remixe fast noch besser bewerten würde. Grund dafür ist der Fluss, den man im Album spürt. Die Tracks kommen aus einer Hand und es wirkt konsistent. Im Gegensatz dazu ist das Hören der Remixe, wie ein bisschen Kopfsteinpflaster fahren.
Gimmik – Sonic Poetry
Wie sollte ich das neue Album Sonic Poetry von Gimmik am besten übersetzen? Gedichte in Schall? Wort und Klang? Martin Haidinger lässt seine Synthies wieder sprechen. Man spürt die Nähe zum Sound, den er schon zur Jahrtausendwende nutzte, merkt aber, dass das Element des Überdrehten doch merklich zurückgegangen ist. Von daher gehe ich aus, dass es sich nicht um eine Sammlung alter Tracks handelt, sondern neues Material.
Spätestens bei Titel Vier Hello Mr. James werde ich hellhörig. Wer sich im IDM-Bereich bewegt und mit so einem Titel daherkommt, kann nur von einem Mr James sprechen. Das Interessant an dem Track ist, dass es für mich ziemlich eindeutig Richard D. James Album referenziert. Insgesamt sind es 16 Titel, wobei es in der zweiten Hälfte deutlich ruhiger zugeht und ich spüre, wieder ich immer ruhiger werde und mich die Musik mit ihrem meditativen Sing-Sang einhüllt und ich meine Augen schließe.
Bleibt an der Stelle abzuwarten, wann das Label n5MD endlich die zugehörige limitierte Auflage des Album herausbringt, die auf klarem Vinyl mit blauen und purpurnen Klecksen erscheint.
Placid Angles – Touch The Earth Remixes
Vor einem Jahr erschien das Album Touch The Earth von Placid Angles, dem wiederbelebten Projekt von John Beltran. Jetzt gibt es mit neun Tracks die Touch The Earth Remixes. Und damit kann ich es eigentlich relativ kurz fassen.
Das Album ist ein Füllhorn von Stilen und Ideen. Es ist sanft, warm und analog mit JakoJakos Remix von Touch The Earth, verträumt schamanisch mit dem John Beltran Remix, ein bisschen experimenteller, denn µ-ziq und Plaid liefern auch jeweils einen Remix ab. Und den Dancefloor beliefern Cassy, Dauwd, Baltra und Marcel Dettmann, welche die Bereiche von House bis Techno abdecken.
Birds Ov Paradise – Rainmaker
Nach dem fulminanten Album Memorial, welches Anfang den Jahres erschien, kommt jetzt eine neue EP von Birds Ov Paradise. Aber irgendwie kann ich meinen Frieden mit der Rainmaker noch nicht machen. Höre ich sie mir ganz bewusst an, ist sie herrlich verträumt, deep und ruhig. Lasse ich sie im Gegenzug einfach mal nebenbei laufen, empfinde ich sie als psychedelisch und übertrieben langsam.
Aber jetzt, wo ich dem Phänomen bewusst nachgehe, glaube ich, die Lösung gefunden zu haben. Es ist der Track Dionysus, der ziemlich aus der Reihe tanzt. Natürlich trifft die Deepness auf die restlichen fünf Tracks zu. Diese Nummer bringt es aber auf eine gewisse Schräge, die ich irgendwo zwischen der Selected Ambient Works II und den Computer Controlled Acoustic Instruments von Aphex Twin einordne. Jedes für sich ziemlich genial, nur zusammen wirkt es irgendwie chaotisch.
Mark Hand & Neil Iceton – Holiday In Beta Centauri
Jetzt habe ich wieder lange gewartet. Diesmal war ich schon wieder an dem Punkt, wo ich Innate anschreiben wollte, wann denn die bereits erschienene EP Nummer fünf nun endlich als Digital-Release erscheint. Wie immer natürlich mit einem Bonustrack, was die Anzahl der Titel auf fünf Stück erhöht.
Die Holiday in Beta Centauri bildet diesmal eine Ausnahme für das kleine Label Innate. Statt wie bisher eine Mini-Compilation zu veröffentlichen, kommt jetzt der erste Release direkt von zwei Künstlern. Mark Hand & Neil Iceton stehen dahinter und träumen den Detroit-Sound, mit seinen Ambitionen die Musik für zukünftige Generationen zu sein, die das Weltall erobern, weiter. Schöner Schachtelsatz, happy translating!
Ich finde die Musik einfach genial, doch hätte ich die Reihenfolge anders gewählt, weil der Opener Binary System etwas heftig ist. Wenn ich den Titel Holiday in Beta Centauri höre, erwarte ich etwas Verträumtes. Und deshalb fühlte ich mich ziemlich überrannt. Wäre der zweite Track Arps In Hyperspace an die erste Stelle gerückt, wäre alles in Butter.
Exos – My Home Is Sonic
Vor langer Zeit machte Delsin einen Lagerverkauf, wo ich noch die wunderschöne goldene Ausgabe von Vril erwischte. Mit bei der Bestellung war das Album von Exos von 2015. Die CD hat den Titel My Home Is Sonic. Ich lege die CD ein und bin erstaunt – 24 Titel!
Endlich mal wieder ein Album, was zwischen den Titel Füllstücke, keins länger als 30 Sekunden, anbietet. Ich mochte schon immer das Konzept, dass man einen Sound oder eine Sequenz einfängt, sie ganz kurz leben lässt und sie dann wieder verschwindet. Verglichen mit dem fünf Jahre später erschienen Album Indigo ist dieses Werk wesentlich minimalistischer und damit viel näher am Herz des Techno.