Atari Teenage Riot war eine der Bands, deren Konzept ich von Beginn an faszinierend fand. Techno hatte immer bisher den Farbanstrich der Loveparade. Friede, Freude, Eierkuchen. Doch jetzt meldete sich die Rebellion zu Wort.
electro-space monthly ist eine Serie, bei der es um Musik geht, die mich beeinflusst hat. Dabei können Künstler, Musikstile oder Labels als Themen auftauchen. Inhaltlich geht es selten um Vollständigkeit, sondern nur um den Abriss, der mich bewegt hat.
Außerdem gibt es die Serie auch als Podcast zum Anhören. Dort gibt es neben dem hier stehenden Text noch die Musik, über die geredet wird. Und vielleicht erzähle ich auch noch etwas mehr, wenn mir spontan etwas einfällt.
Als zu Beginn der 90er Jahre viele auf den Techno-Zug aufsprangen, brachten alle ein bisschen von dem mit, was sie vorher gehört haben. Dabei würde ich mich zur zweiten Generation Technohörer zählen. Leute, die zwar schon vorher andere Musik gehört haben, aber als sie die Musik mitbekamen, sofort adaptiert haben. Demzufolge muss es auch eine Generation davor geben. Menschen, welche eine andere Szene geprägt haben und ihre Einflüsse mitbrachten.
Zu meiner Überraschung gehörten viele dazu, die aus dem Bereich des Punk kamen. Sie fanden, dass Ende der 80er Jahre sich die Szene verrannt hatte und die Luft raus war. Techno kam da genau richtig und brachte genau die richtige Mischung an Neu, Unbekannt und Energie. Schön und gut, aber die meisten erkannten früher oder später, dass dies auch nur alter Wein in neuen Schläuchen war.
Spätestens als die Majors mitbekamen, dass Techno keine Randerscheinung mehr bleiben würde und so auch ein Stück vom Kuchen haben wollten. Ich picke hier als Beispiel einfach mal die Loveparade raus. Das war eine angemeldete Demonstration und somit gratis. Trotzdem schämte man sich nicht, Teilnahmegebühren dafür zu verlangen, wenn jemand einen Wagen hinschicken wollte.So entstand als Gegenpol dazu die Hateparade. Es ging nicht darum, Hass zu sähen, sondern die hässliche Fratze der Kommerzialisierung aufzuzeigen.
Mit dabei war Alec Empire, einer der Gründer von Atari Teenage Riot. Dessen Meinung war, dass es nie den Zeitpunkt gab, wo jemand gesagt hätte, Techno darf keine Texte haben oder Techno darf nicht politisch sein. Dieser Gedanke war die Geburtsstunde von ATR. Es war der Punk des Techno. Hardcore, gesampelte Gitarrenriffs, Breakbeats und dazu politisch motivierte Texte. Möglichst laut und übersteuert.
Mein erster Kontakt mit ATR dürfte so gegen 1997 gewesen sein. Ich sah eine Doku über die Band im Fernsehen. Mein Lieblingszitat, was mir im Kopf hängen geblieben ist, war „John Lennon ist auch nicht die extra Meile gelaufen.“ Infolge dessen kaufte ich mir die Maxi zu Speed / Midijunkies.
Gleichzeitig war ich in dem Jahr das erste und letzte Mal auf der Loveparade. Und mir wurde schlagartig klar, wie viel Perversion, Gedankenlosigkeit und Dummheit auf einen Haufen zusammengekommen war. Es war also irgendwie etwas Wahres daran.
In einem späteren Interview zeigte er sich dann eher geläutert. Wo er initial der Meinung war, dass die Leute einfach nicht kapieren, was gerade um sie herum passiert. Man müsste es ihnen nur laut genug sagen. Er stellte aber im Laufe der Zeit fest, dass es doch das Bewusstsein dafür gab, aber die Mehrheit will einfach nicht damit behelligt werden. Damals wie heute.
Basis für den Sound war Digital Hardcore Recordings. Hier veröffentlichten ATR einen Großteil ihrer Alben, Maxis und EPs. Initial gehörten zu ATR neben Alec Empire noch Hanin Elias und Carl Crack. Nachdem mit 60 Seconds Wipeout ihr drittes Album erschien, mit dem sie auf Tour gingen, beschlossen sie im Nachhinein sich mehr ihren Soloprojekten zu widmen, was mehr oder weniger das Ende von ATR war.
Diese Auftritte hatten zu meiner Überraschung vor allem in den USA für eine erstaunliche Fanbase gesorgt. Als ich ca. 2005 meine Bilder und Fraktale auf DeviantArt veröffentlichte, waren nicht wenige dabei, die sich von dem Sound künstlerisch inspirieren ließen und ATR als Inspiration angaben.
Nachdem ich die oben erwähnte Maxi irgendwann wieder verkauft hatte, weil mir nur der Titel Speed gefiel, holte ich mir sozusagen als Basiswerk die 2006 erschienene Best Of Compilation „1992 – 2000“.