Der April ist schon ein merkwürdiger Monat. Dadurch, dass wir die letzten Wochenenden immer unterwegs waren, ist viel liegen geblieben. Würde ich alle Releases, die ich jetzt die letzten Tage bekommen habe, mit in die Plattenkiste April 2022 aufnehmen, würde der Beitrag wahrscheinlich erst Mitte Mai erscheinen. Aber so sind es „nur“ 13 Releases für den April.
Kraftwerk – Remixes
Da scrollt man nichts ahnend durch Insta und plötzlich kommt eine Werbung für Kraftwerk. Eine limitierte Ausgabe von den Remixes. Das Cover im typischen Design mit den vier Techno-Men in leuchtendem Grün. Und das Vinyl im gleichen Grün.
Ich suche, wo ich die Ausgabe finde, aber die üblichen Shops enttäuschen mich. Also schaue ich auf discogs und finde dort den entscheidenden Hinweis, dass es diese Ausgabe nur im Shop von Kraftwerk direkt gibt. Natürlich ist der Preis von 75 Euro etwas heftig. Aber die Kombination aus Kraftwerk und limitierter Edition klingt zu verführerisch und ich schlage zu.
Bei der Bestellung enttäuschen mich zwei Tatsachen. Ich schreibe in die Bestellbemerkung, dass ich bald im Urlaub bin und gebe ein Datum an, was die Platten verschickt werden können. Reaktion: Your items have been shipped. Na danke! Zum Glück waren die einen Tag vor meiner Abreise da, also will ich da keinen Strick daraus drehen. Aber ziemlich altmodisch finde ich, dass es keine digitale Kopie / Download-Code zur Platte gibt, wie es eigentlich überall mittlerweile üblich ist.
Was erwartet mich inhaltlich? Es finden sich William Orbit, Orbital, Underground Resistance und viele andere ein, um die Klassiker von Kraftwerk zu remixen. Natürlich bleiben sie dabei ziemlich nah am Original. Alles andere wäre ja ein Sakrileg. Deswegen klingt die Remixes doch auch ein bisschen wie die Minimum-Maximum.
Paul Rudder – Unknown Future
Paul Rudders EP Unknown Future erschien Ende März auf Shall Not Fade. Diese Fakten allein reichen aus, um zu wissen, dass wir uns im House-Sektor befinden. Aber nicht nur das Label sprach mich an, sondern auch das Cover. Ein Planet liegt wie ein rund geschliffener Stein am Strand während die Sonne untergeht. Während dessen ziehen zwei gigantische Planeten über den Himmel.
Und jetzt brauche ich nur noch eins und eins zusammenzählen. Mit seinen verträumten Pads und Synths kann ich ganz entspannt am Rechner sitzen und tippen, der Fuss wippt im Beat dazu. Auf der EP sind fünf Tracks zuhause, gerade genug, um schön entspannt herunterzufahren und den Sound zu genießen.
Southsoniks – Ars Longa
Ich kann jetzt eigentlich gar nicht sagen, wie lange ich schon die Ars Longa von Southsoniks auf meiner Wantlist hatte. Angefangen hatte alles Anfang des neuen Jahrtausends, als ich die Ars Longa (Beta) auf Vinyl kaufte. Ich mochte den treibenden Techno mit seinen Synths.
Aber irgendwie bin ich nie in der glücklichen Lage gewesen, das Album von Southsoniks zu erwischen. Also landete es in der Wantlist und wartete dort viele Jahre, bis ich jetzt letztens das Album zusammen mit den beiden folgenden CDs ergattern konnte.
Das Album erschien genau wie schon die Ars Longa (Beta) auf dem französischen Label Scandium Records 2003. Wie ich schon erwartet hab, setzt sich der Sound, auf den die EP Appetit gemacht hat, konsequent fort.
Der Dritte Raum – Der Kleine Korg Und Das Echo
Eine der zusätzlichen CDs war das Album Der kleine Korg und das Echo von Der Dritte Raum. Das Teil erschien 2005 auf Resopal Records. Aus der Zeit habe ich auch noch ein Vinyl von denen daheim, nämlich Mixed Up 1.1. Von daher wusste ich, auf welchen Sound ich mich einlasse.
Es ist irgendwo zwischen Space Night und einem minimalistischen Techno. Und für mich schließt sich mit diesem Album ein Kreis, denn plötzlich ergibt alles Sinn. Wenn man den Harthouse-Sound in den 90ern aufgreift, und wellenförmig zwischen Techno und Progressive House/Trance hin und her verschiebt, dann komme ich zwangsläufig nach diesem Album ganz natürlich zur Kommit.
Claro Intelecto – Metanarrative
Die zweite CD, die ich zusätzlich zur Ars Longa holte, war die Metanarrative von Claro Intelecto. Claro Intelecto ist bei mir ganz fest mit Delsin Records verbunden. Und damit war ich mir unsicher. Wie wohl der Sound sein, der 9 Jahre vor dem 2017 erschienenen Album auf Delsin sein?
Ich wagte den Versuch und erhielt eine CD mit minimalistischen Techno-Sounds, die bisweilen auch einen gewissen Dub-Charakter haben. Veröffentlicht wurde das Album 2008 auf Modern Love. Aber anders als aktuelle Albenveröffentlichungen scheint sich dieser Release auf Vinyl zu konzentrieren, denn mit einer Gesamtlänge von ungefähr 40 Minuten ist es doch ziemlich knapp gehalten und damit eigentlich fast immer zu schnell vorbei.
Oi Sonik – Just Let Your Body Ride
Mit einer Bestellung im März deckte ich mal wieder den Bereich der frühen 1990er ab. Die folgenden drei Releases sind alle aus irgendwelchen Mixtapes, die ich Anfang der 90er bei Marusha aufgenommen habe. Erster Kandidat davon ist Oí Sonik mit Just Let Your Body Ride.
Von den vier Tracks, die auf der Platte sind, ist der von mir gesuchte Track der Extended Mix. Das Original erschien 1990 auf Music Man, wurde aber von Fly Records lizensiert und dort noch mal 1991 herausgebracht. Und genau das ist die Scheibe, die ich jetzt auch habe.
80 Aum / Exhibit X – The Remix
Nach meinem Fehlkauf letztens, habe ich jetzt endlich den richtigen Remix erwischt. Vergleicht man den Remix mit dem Original ist von Future House nicht mehr viel übrig geblieben. The Remix ist eine Split-EP, die sich 80 Aum und Exhibit X teilen. Auch wenn hinter beiden Projekten die gleichen Typen stehen, könnte der Sound nicht unterschiedlicher sein.
Nachdem Future House 1990 erschienen ist, kam der Remix auch auf 80 Aum 1991 heraus und ist mit seinem Left/Right-Vocal doch sehr prägnant. Eigentlich ein Wunder, dass ich so lange gebraucht habe, um herauszufinden, welcher Tracks das eigentlich ist.
Voodoo Child – Voodoo Child
Voodoo Child ist Moby oder Moby ist Voodoo Child. Eines der Pseudonyme, welches er Anfang der 1990er häufiger benutzt hat. Im Original erschien es 1991 auf Instinct Records. Hier möchte ich mal ein Phänomen eingehen, was ich gerade schon mal erwähnt habe, aber gerade Anfang der 1990er absolut üblich war – das Lizensieren.
Zu der Zeit, als ich anfing Vinyl zu kaufen, lag der Preis von einer Scheibe bei ca. 7-9 DM, wenn sie in Deutschland hergestellt wurde. War sie aus Europa ging der Preis schon über 10 DM und wenn sie aus den USA kam, lag der Preis schon so bei 17-18 DM. Logischerweise kaufte der Plattenladen beim Vertrieb ein und der wiederum beim Label. Und kein Vertrieb wollte sich haufenweise Platten an Bord holen, wo die Versandkosten höher lagen, als der Wert der Platte.
Demzufolge war es für die Label lukrativ, wenn eine Platte gut ging, eine Lizenz zum Weiterverkauf zu erwerben. Herstellung und Vertrieb innerhalb von Europa senkte die Kosten enorm. Und so geschehen mit dieser Scheibe, die ich mir als Release vom legendären R&S Label geholt habe.
Alexander Kowalski – Taking Back The Dawn
Anfang des Jahrtausends gehört Alexander Kowalski zu meinen absoluten Favoriten, wenn es um Techno ging. Seine Releases auf Kanzleramt gefielen mir ausgesprochen gut. Und dann kam Start Chasing und wusste nicht, was ich davon halten sollte. Also trat eine lange Ruhephase ein.
Diese dauerte bis jetzt an, als sein neuer Release auf Be As One erschien. Die Scheibe mit fünf Tracks heißt Taking Back The Dawn und irgendwie finde ich altbewährtes in jedem Song wieder. Es ist irgendwie doch wie früher. Vielleicht mit etwas mehr Druck auf der Bassdrum, aber ansonsten sehr ähnlich. Und damit wieder richtig schön und treibend.
Plastikman & Chilly Gonzales – Consumed In Key
Das Album Consumed von Richie Hawtin aka Plastikman erschien im Original 1998. Es wird von der Techno-Gemeinde als Meisterwerk des Minimal Techno gefeiert. Viele bezeichnen es auch als sein bestes Album. Und nun ist die Neuauflage Consumed In Key erschienen.
Separieren wir jetzt mal die Leute, welche der Meinung sind, dass man ein perfektes Album nicht noch perfekter machen kann. Wenn ich ein Spezialist für Richie Hawtins Musik wäre, würde ich mich auch dazu zählen. Aber so muss ich mich einfach an die Fakten halten.
Das Album bleibt im Großen und Ganzen erhalten, nur dass dazu ein Piano perlt. Völlig unvoreingenommen klingt das erst mal interessant. Es verleiht dem Gesamtwerk einen Hauch von Jazz. Ich fühle mich ein bisschen an Christian Prommers Drum Lesson erinnert. Aber damit möchte ich wieder zum Fokus des Albums zurückkommen. Der sollte eigentlich minimalistisch sein. Und gerade durch das Klavier wurde eine massive Ablenkung ins Spiel gebracht. Um es bildlich auszudrücken ist es, als würde ein Clown bei einem Ballett mittanzen. Und von diesem Standpunkt aus kann ich die Kritiker verstehen.
µ-ziq – Goodbye
Mike Paradinas hat die Lunatic Harness remastert. Und dabei festgestellt, was für ein geniales Album er damals produziert hat. Ob er den Sound von damals noch mal wiederbeleben kann? Also begann er mit Jungle-Loops herumzuspielen, in Erinnerung an die Zeit damals.
So entstand die Goodbye unter seinem Pseudonym µ-ziq. Natürlich ist die EP kein Abschied, sondern der Auftakt. Im Juni wird dann noch das Album Magic Pony Ride dazu erscheinen. Außerdem gibt es mittlerweile die Remixe, die auch den Jungle-Aspekt etwas intensiver aufgreifen, mir aber nicht so gefallen.
Ich mag eher die IDM-Note, die auf dem Album liegt. Es ist trotzdem irgendwie noch verwandt mit der XTEP, aber trotzdem spürt man den Hauch von Nostalgie der Lunatic Harness. Und mit 6 Tracks trotzdem ein guter Vorgeschmack auf das was demnächst kommt.
Brainwaltzera – ITSAME
Ich habe das neue Album von Brainwaltzera mit Spannung erwartet. Schließlich ist Brainwaltzera immer noch ein Unbekannter, der die Welt des IDM komplett in Atem hält. Und nach Poly-Ana ist ihm/ihr nun ein zweites Meisterwerk gelungen.
Bleep – der Plattenladen, der initial zu Warp gehörte – hat das kommen sehen und eine limitierte Ausgabe von ITSAME in Auftrag gegeben, die auf 500 Stück limitiert ist. Rotes Cover, rotes Vinyl, Sticker, d.h. jede Menge Extras. Damit ist diese Ausgabe nicht nur eingeschränkt, sondern auch ziemlich exklusiv.
Über die 17 Tracks kann man sagen, was man will. Ich finde sie einfach genial und habe mir deshalb diese spezielle Ausgabe auch ins Haus geholt. Das Album ist – in Referenzen gesprochen – irgendwo zwischen Richard D. James‘ Album, seinen Analord-Werken und irgendwie höre ich auch immer wieder etwas Modeselektor raus. Und ansonsten sollte ich das mit den Referenzen lassen, weil es sowieso ein eigenständiges Werk ist.
John Beltran – Aesthete
Als im Dezember 2021 die Aesthete von John Beltran rauskam, habe ich natürlich reingehört. Schon allein, weil irgendwie das Genre IDM darin auftauchte. Es klang aber nach dem ganz normalen John Beltran. Und die sieben Tracks, die sich auf der Aesthete befinden, haben mich schon von der Menge nicht abgeholt. Also blieb sie liegen.
Als ich jetzt die Brainwaltzera bei Bleep entdeckte, wollte ich natürlich keine Platte einzeln bestellen. Wenn schon die Versandkosten aus Großbritannien entstehen, sollte sich das lohnen. Also stöberte ich etwas und entdeckte die limitierte Ausgabe von der LP. Aber limitiert auf 80 Stück und immer noch verfügbar, konnte das sein.
Ich verglich die Preise mit der normalen Ausgabe in Deutschland. Diese hätte als Vinyl gerade mal 2 Euro weniger gekostet. Das klang schon so unwahrscheinlich, dass ich zuschlagen musste. Viele berichteten auch, dass sie die limitierte Ausgabe gekauft hätten, aber dann trotzdem das schwarze Vinyl erhalten haben. Vor diesem Pech blieb ich allerdings verschont. Und nun habe ich die Doppel-LP daheim, höre sie zum zweiten oder dritten Mal und bin eigentlich doch ganz zufrieden.