Was bringt die Plattenkiste Februar 2022 denn diesmal? Jede Menge Vinyl, aber dazu gleich noch mehr. Ansonsten fasziniert mich, dass es jetzt zu einem Frühlingserwachen der Klassiker kommt. Superstition veröffentlicht wieder, Der Dritte Raum bringt ein Album auf Harthouse raus und jetzt noch von Sven Väth ein neues Album. Wo kommen wir denn da hin? Vielleicht passt es deshalb ganz gut, dass ich im Ersatz für den entfallenen Podcast jetzt doch wieder die alten Platten mit aufliste.
Kaum hatte ich die Birds Ov Paradise (kommt später) entdeckt, erfahre ich durch Zufall von der limitierten Ausgabe. Also machte ich mich auf die Suche. Damit ich die nicht allein bestelle, wollte ich noch ein paar andere schöne Ausgaben dazulegen. So entdeckte ich bei decks.de, dass es noch die Riddle me sane gibt und jetzt gerade die Kommit von Der Dritte Raum im Tigerlook erschienen ist.
Die schönste Geschichte im Bereich Musik ereignete sich Mitte Februar. Ich wollte gerade ins Bett gehen und machte mich daran, den Rechner auszuschalten. Gewohnheitsmäßig schaute ich noch mal nach den Mails und sah, dass Delsin einen Lagerverkauf von Platten macht, die nicht versandt wurden oder zurückgekommen sind. Also klickte ich auf den Link und wartete. Offensichtlich war der Server überlastet. Ich schaute nach und sah, dass die Mail gerade erst vor 10 Minuten verschickt wurde.
Ich wusste genau, was ich wollte und steuerte zielsicher hin. Jawoll! Sie haben im Lager noch Ausgaben von Vrils limitierter Ausgabe von Alte Seele gefunden. „Leider“ nur die goldene Edition, aber ja – endlich! Ich legte sie in den Warenkorb und ging auf Bezahlen. Es dauerte 10 Minuten, bis ich zur Bezahlung kam. Ich zahlte und schaute in den Posteingang. Keine Bestätigung! Noch mal die Webseite aktualisiert, die Alte Seele wird noch im Warenkorb angezeigt. Mir egal, ich will die Platte haben, also noch mal bestellt. Bei der Bestellung kam dann endlich die Bestätigung. Und damit die Sache rund wird, gönnte ich mir auch noch die limitierte Ausgabe zu John Beltrans Hallo Androiden.
Ich hatte in letzter Zeit schon häufiger Kontakt mit den Jungs von Delsin und schrieb, dass ich eventuell die Alte Seele zwei mal bestellt haben und sie sollen mir eine oder beide zuschicken, je nachdem. Den nächsten Morgen stand schon bei dem Release, dass es nur eine pro Person gibt. Aber ich war zufrieden und durfte letztes Wochenende diese Kostbarkeit in meinen Händen halten.
Mijk’s Magic Marble Box – The 4 Seasons Of The Mind
Die Motivation mir The 4 Seasons Of The Mind zu holen, liegt darin begründet, dass zwei der Titel darauf schon sehr bekannt sind. Zum einen Spring (The Wildlife), der es auch über die Superstition-Compilations hinaus auf einige andere Sammlungen geschafft hat und Autumn (Personal Generator), mein Favorit. Gehen wir zurück ins Jahr 1993.
Jetzt war natürlich interessant, was der Sommer und der Winter bringen. Mijk van Dijk, hier als Mijk’s Magic Marble Box, war schon immer gut, wenn es um Konzepte ging. Auch wenn man über YouTube schon in sämtliche Tracks reinhören kann, habe ich mich überraschen lassen. Superstition hat ja eigentlich nie was falsch gemacht, oder?
Love als Thema für den Sommer zu wählen, war natürlich einfach. Passt hervorragend in das Gesamtkonzept, der Song erinnert mich aber zu sehr an Pro-Tection von der Think & Dance Vol. 1. Deswegen weiter zum Winter. Wie zu erwarten ein schwerer, düsterer Track. Überrascht war ich über das Tempo, ich hätte mehr schwer stampfend erwartet.
Analog Vogue II – Geographic Excursion
Die Analog Vogue II ist Ergebnis einer Auflösung meiner unbekannten Tracks. Erschienen auf Frankfurt Beat sind alle vier Tracks mit auf den 3 Kassetten drauf gewesen. Und egal, welche Platte ich bis jetzt davon geholt habe, ist die Qualität des Vinyls um Längen besser als das, was ich da auf dem Tape habe.
Um ehrlich zu sein, hätte ich die Songs nicht auf Kassette gehabt und sie wären mir nicht so in den Kopf gebrannt, hätte ich die Scheibe liegen lassen. Frankfurt Beat waren ziemlich gut darin, die Trance-Kuh zu melken. Das Zeug war unglaublich clubtauglich, aber bis auf Robotnico II war da jetzt nie der Überflieger dabei. Von daher ist das stocksolider Trance aus dem Jahr 1994.
Marc Et Claude – Volume II
Auch von den Trance-Tapes kam der Track Toulouse von Marc Et Claude. Insgesamt sind drei Tracks auf der Volume II. Der Titel suggeriert, dass es schon ein Volume I gab, aber das sucht man vergebens. Erschienen ist die Scheibe 1993 auf Le Petit Prince.
Der kleine Prinz hat ein glückliches Händchen bei der Auswahl seiner Künstler gehabt. Dort hat ein junger RMB sein Unwesen getrieben, genau wie Microwave Prince. Und das macht die Platten des Labels ziemlich begehrt und vergleichsweise teuer. Aber auch vom Stil war Le Petit Prince schwer zu greifen. Da gab es cheesy Trance, aber auch ruppigen Hardcore. So ordnen sich Marc Et Claude mit ihrem Hard-Acid-Trance-Werk irgendwo in der Mitte ein.
Sous Sol – Laze
Zwischendrin doch mal was Neues. Sous Sol mit ihrer Scheibe Laze, die 2021 erschienen ist. Ich spüre den Widerspruch in mir, dass ich zwar immer behaupte, dass mir House eigentlich nicht so liegt. Aber nachdem ich letztens wieder mal eine Techno-Playlist laufen ließ und davon 95% als dumpfes Gepolter links liegen ließ, muss ja irgendwas falsch laufen. Aber mal zurück zu Platte. Die würde ich als Tech House einordnen. Und ich glaube, genau das liegt mir jetzt.
Memorial Home – Earth EP
Weiter geht es mit einer schönen EP, die bereits 2019 erschienen ist, mir aber trotzdem als neu vorgeschlagen wurde. Es handelt sich um die Earth EP von Memorial Home. Wer so einen großen und umfassenden Namen wählt, braucht eine passende Sichtweise.
Ich denke Memorial Home haben sich für den Blick von außen entschieden. Eine blaue Kugel rast mit atemberaubender Geschwindigkeit durchs All. Und das völlig ohne Geräusche. Von daher kommt das Teil mit viel Synth und wenig Beats daher. Die zwei Remixe dazu beschleunigen dann schon eher.
Birds ov Paradise – Memorial
Endlich mal ein Release aus 2022, erschienen auf dem schwedischen Label Hypnus, dass sich auf Deep Techno spezialisiert hat. Die Scheibe heißt Memorial und kommt vom Göteborger Künstler Birds Ov Paradise. Beim ersten Reinhören stufte ich es als ganz in Ordnung ein, aber nachdem ich die Scheibe gestern das erste Mal durchlaufen ließ, bin ich doch hellhörig geworden.
Ja, sie ist deep, d.h. sehr harmonisch, es fließt dahin und trotzdem sind genug Elemente darin, die mich z.B. an die Las Vegas von Burger/Ink erinnern. Und die gehört zu einer meiner liebsten Releases. Also das Album ist schon mal ein Maßstab, um für das Album des Jahres mitzumachen.
Dirlin Sun – Linus
Genug mit dem neuen Zeug, zurück zu alten Releases. Linus erschien 1994 auch auf Frankfurt Beat und ist jetzt nicht der Oberhammer, sondern ist der Standard-Trance aus der Zeit. Trotzdem bleibt mir die Musik immer im Kopf wegen den drei Tapes von damals, die ich immer und immer wieder gehört habe.
Hinter Dirlin Sun stehen die beiden DJs Dirk und Linus von denen ich auch eine Hardcore-Scheibe aus dem Jahr habe, die allerdings auf GhettoRaid erschienen ist.
80 Aum – Future House
Wie viel kann eigentlich bei einer Plattenbestellung schief gehen? Die Platte kann beim Versand verloren gehen oder beschädigt werden. Die Platte kann nicht dem versprochenen Zustand entsprechen. Aber was ich bei der Future House von 80 Aum überhaupt nicht auf dem Schirm hatte war, dass ich die falsche Platte bestellt habe.
Bei discogs hat man zum Release immer YouTube-Video, wo man die Tracks hören kann. Verlinkt war Future House (80 Aum Dub Remix). Stand zumindest im Titel. Somit passte der Song zum Video. Nur was völlig falsch war, dass es nicht der 80 Aum Dub Remix war sondern nur „Remix“. Und damit einmal die falsche Platte bestellt. Wer will sie haben?
Reese – Funky Funk Funk / Bassline
Kevin „Master Reese“ Saunderson oder kurz Reese hat 1991 eine Nummer veröffentlicht, die Funky Funk Funk hieß. Davon gab es auch drei limitierte Ausgaben auf Network, die in grün, rot und blau erschienen sind. Natürlich ist das Vinyl in der passenden Farbe. Und noch viel abgefahrener – die Rille läuft von innen nach außen. Ein freundliches Hallo an alle Plattenspieler mit Automatik.
Was mir immer daran so gefiel, waren die trashig lauten Hihat und Cymbals und dieser völlig unrhythmische Bass-Sound, der komplett übersteuert daher kommt.
Arkanoid – Limit
Weiter geht’s im Jahr 1991 mit einer Platte von R&S Records. Irgendwie stellt sich mittlerweile heraus, dass die Hälfte der Songs, die mir damals gefallen haben, von R&S kommen. Auch mit dabei von Arkanoid der Release Limit.
Und es sind immer wieder die Sounds, die mich faszinieren. Eine verzerrte Computerstimme, ein Sound, der klingt, als würde jemand am am Grund eines leeren Brunnens rülpsen, dazu eine Bassdrum, die ordentlich pumpt. Fertig! Natürlich sind nicht alle Tracks exzellent, aber zumindest klingen nicht alle gleich.
Trashman – Cosmotrash
Was habe ich nach der Scheibe gesucht! Als sie mir Frank damals unter der Maßgabe „Ich hab da was für dich!“ vorspielte, war ich schon neugierig. Es handelte sich um einen Ausschnitt bei dem Trashmans Track Cosmotrash in einem Wahnsinnsmixstil mit Der Klang der Familie hin und her wechselt. Kann man übrigens noch in der Rubik Unbekannte Tracks nachhören.
Und dann noch der Anfang mit der Hardcore-Synth-Nationalhymne von den USA. Und das dürfte auch so ziemlich eine der ersten Hardcore-Nummern sein, die ich damals auf Kassette hatte.
Time Zone – Praise God
In der Anfangszeit müssen manche Techno-Jünger gedacht haben, dass sie den heiligen Sound gefunden haben. Werfe ich einen Blick in meine Plattenkiste finde ich 1991 Platten wie: God of Abraham von M.N.S., DHS mit House of God und dann kommt jetzt noch Time Zone mit Praise God dazu.
Das ist schon ein sehr psychedelisches Zeug, aber mit hat das damals und heute auch noch gut gefallen. Zum einen, weil die Leute damals noch dachten, dass in der Zukunft Computer so groß wie Häuser sind. Außerdem ist der Sound noch sehr simpel und einfach, aber trotzdem effektiv.
Kattoo – Places
Letztens hörte ich mal wieder die Beefcake an, die auf Hymen erschienen war. Wenn man schaut, wer hinter Beefcake steht, findet man zum einen Gabor Schablitzki, der als Robag Wruhme oder Wighnomy Brothers hinreichend bekannt ist. Aber was hat Volker Kahl gemacht?
Der hat als Kattoo das Album Places 2004 auf Hymen veröffentlicht. Ziemlich schlicht sind die Tracks Place1 bis Place11 benannt. Dann gibt es einen bunten Mix von Stilen. Von Hip-Hop über Ambient bis zu einem elektronischen Metal-Mischmasch. Insofern hochinteressant und hörenswert. Soweit habe ich nichts auszusetzen, bis auf Place11 – ein knapp 8 Minuten langer Monolog über den Hunger auf der Welt.
Alles richtig, aber nach 2 Minuten möchte ich schon abschalten. Was denkt man sich, wenn man so einen Track 2004 auf eine CD legt. Die Leute, die das hören, wissen es noch nicht? Falsch! Jemand hört sich das an und steht laut „Ja! Ja!“ rufend davor? Auch falsch! Und aus diesem Grund finde ich den Track komplett fehl am Platz.
Forest Drive West – Recursion EP
Forest Drive West ist kein Unbekannter. Schließlich hat er schon seinen Beitrag zur Mantis-Serie auf Delsin geleistet. Und nun steht ein Release auf Echochord ins Haus. Also was erwarte ich? Echochord ist nicht zwangsläufig Dub-Techno, aber schon sehr stark in diese Richtung gehend. Von daher hoffe ich, etwas in diese Richtung zu bekommen. Und natürlich wieder den mystischen Dschungel mit seinen fabelhaften Wesen.
Meine Erwartung wird mit der Recursion EP auf den Punkt genau erfüllt. Der erste Track 100m ist der Dschungeltrack. Mit holprigen Beats, einem Kling-Klang aus Sounds und atmospärischen Pads sind wir genau da, wo die Mantis aufgehört hat. Track zwei – Recursion – ist schon eher, was ich auf Echochord erwarten würde, nur die Echos fehlen. Die finden sich dann aber mit Anchor ein. Merkwürdigerweise ist der Track eine Mischung aus Dub und dem Mantis-Sound, also im Grunde genommen sehr faszinierend.
Hoavi – Posle Vsego
Das dritte Album des russischen Soundtüftlers Hoavi liegt vor. Und diesmal ist es wieder Ambient und gleichzeitig auch nicht. Jetzt habe ich mich schon mal bei Bjarki hinreißen lassen, ihn als den neuen Aphex Twin zu krönen. Aber er wurde dem Titel dann doch nicht gerecht. Um ein neuer Aphex Twin zu werden, muss man Augen schließen und träumen, aber nervös zappelnd wie ein Flummi herumhopsen.
Auf den beiden Vorgängern war das noch schon separiert. Und jetzt kommt Posle Vsego, was so viel wie „Letztendlich“ heißt und vereint beide Teile. Und damit trifft der Titel ins Schwarze. Interessant ist jetzt die Spekulation, mit was Hoavi als nächstes aufwartet. Wobei ich vorerst davon ausgehe, dass es ziemlich ruhig um ihn in nächster Zeit werden wird.
Sven Väth – Catharsis
Techno ist ein interessantes Phänomen. Anfang bis Mitte der 1990er weckte diese „neue Musik“ die Aufmerksamkeit vieler Menschen und schaffte es mit ihren Randgestalten auch in Medien. Von Staubsaugerträgern bis zu zugedröhnten Raver wurde alles präsentiert, dass es nicht zu ausgeflippt sein konnte. Irgendwann kam der Zeitpunkt, wo man reflektierend über diese Darstellung feststellte, dass es doch nicht sein kann, weil man nicht so ist.
Das war so die Stunde, wo Techno erwachsen wurde. Und Erwachsene sind mit der Zeit langweilig. Ich denke aus dem Grund flaute das Interesse ab. Letztlich entwickelte sich aber das Musikangebot genau anders herum. Jede halbwegs gute Platte Anfang bis Mitte der 90er kam von den gleichen Leuten mit unterschiedlichsten Projektnamen. Heute ist es echt schwer, da den Überblick zu behalten, weil gefühlt jeder, der sich für Techno interessiert, nicht nur konsumiert, sondern auch produziert.
Schwenken wir zu Sven Väth und seinem Album Catharsis. Die lange Vorrede diente ja nur dazu, um den Titel für mein Verständnis besser klarzustellen. Die Katharsis ist Teil der Tragödie. Durch Jammer und Schrecken soll ein reinigender Prozess beim Zuschauer einsetzen. Jetzt löst das Album zwar nicht Jammer und Schrecken aus, jedoch kann man auch die Geschichte des Techno in Deutschland so sehen. Die reinigende Wirkung hat eingesetzt und ist mit diesem Album hörbar geworden.