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Review: Flashback von Dan Simmons

Jan 0
geschätzte Lesedauer: 5 Minuten

Früher habe ich viel mehr gelesen, aber momentan ist es schwierig mit neuen Büchern. Früher bin ich gern in die Buchhandlung gegangen, habe ein Buch ansehen und kurz durchgeblättert. Und wenn es interessant klang, habe ich es mitgenommen. In Zeiten, wo kein Buchladen offen hat, fällt das Stöbern schwer. Deswegen muss ich mich auf Schriftsteller verlassen, von denen ich bisher begeistert war. So zum Beispiel Dan Simmons, der mich schon mit seinen Romanen wie z.B. Hyperiongesänge begeistert hat. Heute soll es um Flashback von Dan Simmons gehen.

In meinem Review werde ich natürlich auf den Inhalt eingehen – von daher Spoileralarm! Dabei versuche ich alles etwas thematisch zu gliedern.

Dan Simmons, Flashback, Buch

Ort und Zeit der Handlung

Flashback von Dan Simmons spielt in einer fiktiven nahen Zukunft in den USA oder beziehungsweise was davon übrig ist. Nachdem nahezu sämtliche Staaten der Welt unter ihrer Verschuldung zusammengebrochen sind, herrschen mehrere Mächte darüber. Als ein Grund für die Überschuldung wird in den USA das von Obama eingeführte Gesundheitssystem genannt. Der Autor lässt keine Stelle aus, um diesen Fakt regelmäßig zu erwähnen.

Im Zuge des Zusammenbruchs kam es zu einer verstärkten Islamisierung der Welt. Die Weltbevölkerung wechselte zum Islam und damit hat das Kalifat einen massiven Einfluss. Bis auf wenige Ausnahmen wählten die Bürger die Scharia als Gerichtsbarkeit. Natürlich gilt das nicht für alle Teile der Welt. Die USA sind zerfallen und aktuell bestehen sie aus 44 Bundesstaaten. Die restlichen Staaten haben sich separiert oder gehören durch erstarkte Kartelle zu Mexiko. Einer der abgespaltenen Staaten ist Texas. Dort werden Drogensüchtige schon an der Grenze abgewiesen. Außerdem hat sich das Land seinen konservativen Charakter bewahrt.

Japan hat den Mantel der Demokratie abgeschüttelt und hat wieder zu ihrem feudalen System zurückgefunden. Diese Umstellung gibt ihnen Erfolg und jeder Klan-Führer strebt die Position des Shogun an. Da diese Leute ultrareich sind, haben sie ihre eigenen kleinen Inseln der Ruhe geschaffen, in mitten des Chaos, das in den USA herrscht. Die Japaner sind hochtechnologisiert und kombiniert mit ihren finanziellen Möglichkeiten immer im Vorteil.

Offene Gewalt, Kriege zwischen rivalisierenden Lagern und Bombenanschläge sind an der Tagesordnung. Per se gibt es zwar noch eine Regierung und Polizei, aber die haben so gut wie keine Handhabe bzw. sind Marionetten der Reichen.

Zur Abtragung ihrer Schuldenberge entsenden die ehemaligen Supermächte USA und Russland ihre Armeen zu Kriegen, die von anderen Staaten geführt werden. So wird China von Indien und Japan mit Hilfe der USA und Russland untereinander aufgeteilt.

Kurz gesagt hat sich die Welt in jeglicher Beziehung zum Schlechten gewandelt. In mitten dieser grässlichen Welt sehnen sich die Leute nach der guten alten Zeit. Diese wird bedient von einer Droge namens Flashback, die es ermöglicht für eine bestimmte Zeit einen Moment aus der Vergangenheit wieder zu erleben. So gibt es Menschen, die sich in Lager zurückziehen und dort Tage, Wochen und Monate ihre schönen Momente zurück zu holen.

Inhalt

Keigo Nakamura ist der Sohn des Anführers des Nakamura-Clans. Er beschäftigt sich mit Flashback und dreht eine Dokumentation über diese Droge, die in Japan unter Todesstrafe verboten ist. Bei seinen Recherchen kommt er ums Leben.

In seinem Fall ermittelt der Cop Nick Bottom. Kurze Zeit nach dem Mord kommt Bottoms Frau um Leben, was den Polizisten komplett aus der Bahn wirft. Seither ist er Flashback verfallen. Einige Jahre später wird Nick Bottom von Nakamuras Vater engagiert, um den Mordfall neu aufzurollen.

Er verhört die Interview-Partner, die Keigo damals gesprochen hat und stößt dabei auf einen mysteriösen Zusammenhang zwischen dem Mord und dem Tod seiner Frau. Begleitet wird er dabei ständig vom Sicherheitschef von Nakamura.

Nick Bottom hat einen Sohn Val in Los Angeles, der dort mit seinem Großvater – dem Vater von Nicks Frau – lebt. Auch er ist süchtig nach Flashback und hasst seinen Vater abgrundtief, weil er Val komplett im Stich gelassen hat. Dieser Graben wird noch weiter vertieft, als er im Laufe des Buchs auf Ermittlungsakten der Polizei Denver stößt, die Nick Bottom am Tod seiner Frau die Schuld vermuten.

Da sich die Zustände in Los Angeles zuspitzen, beschließt Großvater Leonard seinen Enkel und sich in Sicherheit zu bringen. So gelangen beide nach Denver, denn sie hoffen gemeinsam bei Nick Bottom unterschlüpfen zu können.

Während Nick Bottom offensichtlich ratlos herumstochert und dabei immer wieder in gefährliche bzw. kriegsähnliche Zustände gerät, die Dank des Einsatzes von Ninjas oder überlegenen Waffen glimpflich ausgehen, wird ein Smartphone zum Dreh- und Angelpunkt des Geschehens. Das Smartphone ist im Besitz von Nicks Sohn Val. Dort hat Nicks Ehefrau Dara, die auch im Fall des Mordes an Keigo recherchiert hat, ihre Aufzeichnungen und den Dokumentarfilm abgespeichert. Natürlich passwortgeschützt, sodass es Leonards Hilfe bedarf, die Passwörter zu erraten und damit den Inhalt offen zu legen.

Das Buch blubbert so über 600 Seiten hin, es wird stereotyp auf dem Gesundheitssystem, dem Islam und auf demokratischen Grundprinzipien herumgehackt. Auf dem letzten 30 Seiten folgt dann die Aufklärung, dass Japan die Droge hergestellt hat, um den Untergang der USA zu fördern. Es stellt sich heraus, dass der Sicherheitschef von Nakamura verhindern will, dass sich sein Chef die gesamte Macht unter den Nagel reißen will.

Dazu braucht er Verbündete, die er im Staat Texas findet, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die USA wieder zu alter Größe zu führen. Natürlich vertragen sich Vater und Sohn wieder. Der inzwischen an einem Herzklappenfehler erkrankte Großvater muss nicht jahrelang warten, bis er eine künstliche Herzklappe bekommt. Da Texas seine alten Werte behalten hat, ist es nur eine Frage des Geldes.

Fazit

Ich hatte das Buch schon lange vor Corona vorgemerkt. Deswegen war ich von Flashback von Dan Simmons, was eine fiktive Verschwörungstheorie aufspannt, nicht abgeneigt. Aber je mehr ich im Buch voran kam, wurde klar, dass sich die Idee nur an einzelnen dünnen Fäden des Jetzt aufhängt.

Die Erstausgabe von Flashback von Dan Simmons erschien 2011. Zu diesem Zeitpunkt war Obamacare gerade mal ein Jahr alt. Natürlich konnte Dan Simmons zu diesem Zeitpunkt nicht wissen, dass seine Vision von „Texas makes America great again“ schon wenige Jahre später mit Trump wahr werden würde.

Dass ausgerechnet die Islamisierung der Welt vom Iran ausgeht, passt vielleicht in das Gedankenschema eines konservativen Amerikaner, ist aber religiös ein Ding der Unmöglichkeit. Denn der Islam hat – genau wie das Christentum auch – mehrere Glaubensrichtungen. Die Bekanntesten sind die Gruppen der Schiiten und Sunniten. Die überwältigende Mehrheit stellen dabei die Sunniten mit ca. 90%. Und genau das ist der Punkt. Jetzt sollen die Iraner, die mehrheitlich schiitisch sein, das heißt weniger als 10% der Muslime ausmachen, die Welt auf den Kopf stellen?

Neben den ganzen oben genannten Fakten hat mich immer aufgeregt, dass die Welt auch zusammengebrochen ist, weil die USA keine „Stärke“ mehr gezeigt hat. Demnach war es eine Schwäche, erst diplomatisch vorzugehen statt präventiv zuzuschlagen.

Initial hat mir die Gestalt des Nick Bottom gefallen. Der Antiheld, der durch einen tragischen Verlust von der Spur abgekommen ist. Aber wie durch ein Wunder, ist ihm die Droge Flashback nach mehreren Jahren plötzlich egal und er besinnt sich, dass er auch einen Sohn hat, um den er sich kümmern sollte.

Insgesamt hat das Buch einen sehr schlechten Eindruck hinterlassen. Das betrifft die Einstellung des Autor, als auch den Inhalt. Während Dan Simmons es bisher schaffte, den Spannungsbogen bis zum Ende zu halten, wird man von Ereignis zu Ereignis geschleift. Die Nebengeschichte von Val und Leonard ist fast irrelevant, nur das Val das Smartphone von Dara hat und das Leonard das Kennwort dazu. Vielleicht dient es der allgemeinen Beschreibung der Situation der verschiedenen Generationen. Auch seine Kollegin K.T. die keine hohe Meinung von Nick hat, hilft ihm aber aus jeder Patsche heraus, um dann spurlos zu verschwinden.

Das wäre alles nur halb so wild, wenn es die Idee nicht schon längst gegeben hätte. In den Grundzügen ähnelt das Buch einfach viel zu sehr Snow Crash von Neal Stephenson, was wirklich ein atemberaubendes Buch ist.

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