Habt ihr schon mal versucht, nach „Hund kratzt sich“ zu googeln? Wenn nicht, probiert es mal. Es kommen haufenweise werbefinanzierte Seiten, die einem tolle Mittelchen verkaufen wollen, aber keine Ursache aufzeigen. Grund für meine Suchanfrage war unser Hund Seusz, der sich ganz schlimm anfing zu kratzen. Daraufhin wurde er erstmal völlig falsch behandelt, weswegen es schlimmer, um nicht zu sagen, katastrophal wurde. Damit ist es mir ein dringendes Bedürfnis, Hundebesitzer darüber aufzuklären, dass die Ursache weitaus natürlicher sein kann, als man denkt.
Oktober 2017 – der vermutliche Beginn
Es begann eigentlich völlig harmlos. Wir sind ungefähr in der Mitte vom Oktober 2017. Seusz fing an, seine Hinterpfote zu lecken. Das macht er gerne mal, denn obwohl er 15 Jahre alt ist, tobt er beim Ballspielen noch wie ein ganz Junger. Und dabei bremst er manchmal akut, macht einen Purzelbaum, steht auf, schüttelt sich und weiter geht es. Und trotzdem tut die Pfote weh. Also leckt er an seiner Pfote. Sowas gibt sich nach ein paar Tagen ohne Ballspielen und dann geht es normal weiter. Diesmal nicht. Die Haare am Bein wurden schon dünner, als er damit aufhörte.
Mitte/Ende November 2017 – die Kratzphase beginnt
Statt dessen begann sich unser Hund zu kratzen. Wir waren Anfang November zwei Wochen im Urlaub und brachten den Hund zu meiner Mutti. Die meinte danach, dass er sich ziemlich viel kratzt, vielleicht mausert er sich. Es war Herbst, er ist ein fusseliger kleiner Kerl und macht das immer wieder mal. Immer noch kein Grund für uns, sich Sorgen zu machen. Ich spule mal bis Anfang Januar vor.
Mitte Januar 2018 – Behandlungsbeginn
Das Kratzen wurde nicht besser. Bei uns klingelten aber langsam die Alarmglocken, denn jedes Mal wenn wir die Wohnung verließen und zurück kamen, lagen überall kleine Fellbüschel. Als dann noch dazu kam, dass er mitten in der Nacht kratzte und uns den Schlaf raubte, gingen wir zum Tierarzt. Der war sich sicher, dass es eine allergische Reaktion ist. Seusz bekam eine Kortisonspritze und ein Kortisonspray (Cortavance) für die juckenden Stellen an seinem Bauch.
Der Tierarzt meinte, dass die Spritze innerhalb von drei Stunden wirkt und sollte maximal drei Tage halten. Wir sollten ggf. wiederkommen, wenn es nicht besser wird. Das Ergebnis war, dass unseren Hund die Spritze nicht zu interessieren schien. Er kratzte weiter. Erst am nächsten Tag ließ das Kratzen nach, um tags drauf sofort wieder schlimmer zu werden. Das Kortisonspray ließ er sich nur mit größtem Widerwillen auftragen.
Parallel dazu stellten wir Seuszs Ernährung komplett um. Wie wir erfuhren, reagieren Hunde stark auf Hühnchen allergisch. Also ließen wir das Trockenfutter weg und kauften probehalber Premiumfutter aus Rind und Schwein. Keine Besserung, außer dass er mit größerer Begeisterung aß. Inzwischen waren wieder zwei Wochen vergangen und Seusz hatte inzwischen 3-4 Kortisonspritzen bekommen. Es wurde immer schlimmer, wir konnten keine Nacht mehr durchschlafen, ohne nicht durch Kratzen geweckt zu werden. Dazu kam noch, dass wir Ende Januar Urlaub gebucht hatten, der sich nicht verschieben ließ. Die Zeit verbrachte Seusz bei meiner Mutter, die sich größte Mühe gab, aber er kratzte sich in der einen Woche sein Bein wund.
Anfang Februar 2018 – Heilungsprozess
Ich befragte sofort ein paar Kolleginnen, die mir eine andere Tierärztin empfohlen. Noch am gleichen Tag gingen wir hin. Sie schlug die Hände über dem Kopf zusammen und meinte, dass er wohl die Sarcoptes-Räude hat und Kortison wohl das Schlimmste wäre, was man ihm in diesem Fall antun kann. Kortison schaltet das Immunsystem ab und deswegen geht es dem Kleinen erstmal besser. Aber inzwischen feiern die Milben Party und vermehren sich ungehindert. Da es sich meistens um Depotspritzen handelt, die lange vorhalten sollte, meinte sie, dass es ungefähr 6 Wochen dauert, bis das Kortison aus seinem Körper raus ist. Eigentlich schafft es das Immunsystem von selbst mit den Milben fertig zu werden, aber solange das Kortison wirkt, müssen wir nachhelfen.
Er bekam erstmal Advocate, was Tropfen sind, die gegen die Milben helfen soll. Parallel dazu gab sie uns einen Schaum mit (Leniderm), der den Juckreiz lindert. Eine Woche später sollten wir wieder vorbei schauen. Wir schäumten seine Beine und seinen Bauch jeden Morgen und jeden Abend ein und nach einer Woche wurde es langsam besser. Als wir wieder zur Ärztin gingen, bekam er zusätzlich noch Antibiotika, denn als Nebeneffekt der Räude bilden sich Pilze, die ihn ziemlich unangenehm riechen ließen.
Wir gingen jede Woche zur Tierärztin, die ihn begutachtete und er machte auch wirklich Fortschritte. Mitte Februar war es dann endlich soweit, dass er uns nachts nicht mehr weckte, weil er gekratzt hat. Da die Behandlung anschlug, bekam er noch ein Shampoo (MalAcetic), mit dem wir ihn alle drei Tage waschen sollten.
Unsere Tierärztin nahm sich wirklich viel Zeit für den Kleinen und erklärte uns ausführlich, wie der Heilungsprozess abläuft. Bei der Sarcoptes-Räude handelt es sich um Milben, die sich in die Haut eingraben. Dort legen sie ihre Eier, die dann schlüpfen und dann geht der Zyklus von neuem los. Deswegen würde sein Heilungsprozess wellenförmig besser werden. Da die Mittel nur an der Oberfläche wirken, können immer nur die aktuell lebenden Milben abgetötet werden. Der Nachteil beim Abtöten ist, dass die Milben Toxine abgeben, die der Hund auch erstmal verkraften muss. Danach schlüpft die neue Brut und versucht sich wieder zu vermehren.
Obwohl meine Frau daheim arbeitet, kann sie auch nicht die ganze Zeit in der Nähe des Hundes bleiben. Wir packten ihn dann in T-Shirts, die wir mit Bändern an den Läufen und am Körper fest banden. Außerdem kauften wir einen aufblasbaren Kragen, damit er sich auch nicht beißen kann. Trotzdem schaffte er es immer wieder, sich komplett von allen T-Shirts zu befreien und zu kratzen bzw. zu beißen, wenn wir nicht da waren. Es war ein Trauerspiel, manchmal nur für eine halbe Stunde die Wohnung zu verlassen und danach heim zu kommen und in einem Meer aus Fellbüscheln zu stehen und eine neue kahle, wunde Stelle auf seinem Körper zu entdecken.
Wir sprachen das Thema bei der Tierärztin an und sie gab uns eine Packung Kalm-Aid, damit der Serotonin-Spiegel gehoben wird und unser Hund damit schläfrig wird. Laut Packung bekommt ein Hund von 10kg 2 Tablette pro Tag. Wir erhöhten die Dosis in Absprache bis auf 4 Tabletten. Trotzdem war der Juckreiz viel stärker und von Schläfrigkeit war nichts zu spüren.
Anfang / Mitte März – mitten in der Heilung
Die Tierärztin sagte uns ja, dass es sechs Wochen Zeit benötigt, um das Kortison aus seinem Körper zu bekommen. Doch die Heilung der Räude dauert ihrer Meinung nach länger. Mitte März machte sie einen Bluttest, um zu schauen, wie es um das Immunsystem unseres Hundes bestellt ist. Ergebnis: Unser Hund erfreut sich laut Bluttest bester Gesundheit. Also weiter einschäumen und alle drei Tage waschen. Wir besuchten die Tierärztin im Abstand von 14 Tagen, wo er immer wieder die Advocate-Tropfen bekam. Man konnte im Heilungsprozess wirklich beobachten, wie es Tage gab, wo er sehr langsam war und keinen richtigen Spaß am Spielen hatte und es gab dann wieder Tage, wo er wieder richtig vital war.
Ende März – Land in Sicht
Seit einer Woche sind wir der Meinung, dass wir uns an den Normalzustand wieder annähern. Wir können ihn mal drei Stunden allein lassen und er leckt oder beißt sich nicht mehr. Er hat bei seinem letzten Besuch bei der Tierärztin noch zwei Blister mit Apoquel bekommen, davon 5 Tage lang 2 Stück pro Tag und seit dem 1 Stück pro Tag. Die Tablette sollen gegen den Juckreiz helfen.