Nächstes Ziel auf unserer Reise durch Bolivien ist Rurrenabaque. Hier wollen wir in den Dschungel, jede Menge Tiere sehen und mit etwas Glück auch die seltenen Flussdelphine erwischen.
Bevor ich mit dem eigentlichen Bericht beginne, möchte ich noch ein paar Details zur Erklärung vorweg schicken. Also in Bolivien kommt man bequem in einem Doppelzimmer für 20 Euro unter (inkl. Frühstück) und wenn man abends zu seinem Lieblingsitaliener geht, ist man für eine kleine Pizza, Pasta und 1 Liter Saft mit 6 Euro dabei. Was wird also eine 3-Tages-Tour mit allen Mahlzeiten, Unterbringung in Holzhütten mit Moskitonetzen und ein paar Ausflügen mit dem Boot kosten? Vielleicht so 100 Euro? Aber lasst euch überraschen…
Unser Flug von La Paz ging am Nachmittag mit einer 19 sitzigen Fairchild Metro III. Das ist eine kleine Propellermaschine mit 2 Sitzreihen. Es holperte und schaukelte, aber dafür flogen wir unmittelbar an den Bergen hinter La Paz vorbei und hatten einen sensationellen Blick darauf. 35 Minuten später landeten wir im kleinen Rurrenabaque und es begann die Umstellung. Vorher: 7°C auf 3.700 Meter, jetzt: 34°C auf 220 Meter. Von der Fluggesellschaft amaszonas hatten wir noch jede Menge Gutscheine und Rabattmarken für Kneipen bekommen. Jetzt standen wir auf dem Flughafen, der nüchtern betrachtet ein Sturzacker mit angeschlossenem Abrisshaus war.
Wir hatten Glück, dass wir mit Franzi und André zusammen waren, denn es stellte sich heraus, dass ein Ex-Schweizer, der schon seit 18 Jahren in Rurrenabaque lebt, gerade seine Tochter zum Flughafen schaffte und uns mit zurück in die Stadt nehmen konnte. Er empfahl uns ein Hostel und eine Gesellschaft mit der wir die Pampa-Tour machen können – Balatours. Nachdem wir im Pahuichi-Hostel einzogen, buchten wir sofort die Tour bei Balatours und konnten noch 10% Empfehlungsrabatt herausschlagen, da uns der Laden von Jürgen empfohlen wurde. Trotzdem zahlten wir 216 US-Dollar pro Person. Unser Anspruch an die Reise war sehr hoch.
Zu den Gutscheinen gehörte auch ein Gratis-Caipirinha in einer sogenannten Moskkito-Bar. Gratis? Alkohol? Wir wurden wahnsinnig positiv überrascht. Es wurde nicht an Alkohol gespart und der Caipi war sehr lecker, sodass wir uns entschlossen, gleich noch das Abendessen und ein paar Cocktails mehr hinten anzuhängen. Wir entschieden uns für ein gegrilltes Fischfilet mit Knoblauchsauce mit Gemüse, Reis und Pommes Frites. Sämtliche kulinarischen Genüsse von Südamerika waren besser als erwartet. Es war ein Genuss. Wir hatten alle ordentlich zugelangt und trotzdem belief sich unsere Rechnung auf ca. 28 Euro (für 4 Personen). Wie gut musste dann unsere Tour werden?
Wir fuhren den nächsten Morgen um 9 Uhr los. Im Gegensatz zu den anderen Touren wurden wir mit einem geschlossenen Wagen mit Klimaanlage gefahren. Zwischendurch hielten wir an und unser Guide kaufte eine Flasche Cola für uns. Es ließ sich sehr gut an. Als wir ankamen, nahmen wir unsere Quartiere in Beschlag, einfach, aber nicht heruntergekommen und abgenutzt. Mit uns kam noch eine andere Gruppe mit 3 Leuten plus Guide, d.h. zusammen waren wir 9 Personen. Als dann das Mittagessen aufgetischt wurde, waren wir entsetzt. Das sollte für uns alle reichen? Nachdem wir Essen geholt hatten, war schon fast nichts mehr für die anderen da, außerdem war es kalt und fade. Unser Guide erklärte, dass die Köchin nicht genügend Zeit zur Vorbereitung hatte und wir nachsichtig sein sollten.
Am Nachmittag begannen wir mit einer kleinen Bootsfahrt. Wir sahen jede Menge Kaimane, Wasserschweine und Vögel. Leider spielte das Wetter nicht so mit, es regnete zwischendurch. Zu unserem Glück, denn dadurch war es nicht mehr ganz so heiß. Als das Abendessen anstand, hatte sich nichts geändert. Das Essen war kalt und bei weitem nicht ausreichend. Wir reklamierten den Zustand, die andere Gruppe hingegen sagte nichts. Als am nächsten Morgen wieder kalte frittierte Sachen gereicht wurden, meinte unser Guide nur, wir sollten selbst in der Küche vorsprechen, er hätte es jetzt zwei mal gesagt. Ab diesem Moment wurde er auch uns gegenüber immer wortkarger.
Der Vormittag sollte uns zu den Flussdelphinen führen, die sich aber in andere Regionen verzogen hatten, da der Wasserstand extrem niedrig war. Wir brüteten vier Stunden in der prallen Sonne, konnten aber wieder jede Menge Fotos von der Tierwelt machen. Über das Essen rede ich nicht mehr, es war weit unter dem, was man für diesen Preis erwarten konnte. Zum späten Nachmittag fuhren wir noch einmal raus und gingen Piranhas fischen. Nur unser Guide hatte Glück. Wir fingen nur ganz kleine Fische. Die Küche frittierte den Fisch für uns und als Kriszta den Guide fragte, wir man einen Piranha am besten isst, bekamen wir nur die Antwort: „Mit dem Mund“. Ernst gemeint, ohne jegliche Ironie.
Als wir den nächsten und letzten Morgen Anacondas suchen gingen, lief unser Guide immer lustlos herum, während die anderen beiden Guides (es kam den Tag zuvor eine neue Gruppe) im Gras suchten. Wir fanden nichts und gingen wieder zurück. Bei unserem letzten Mittag fragten wir unseren Guide, ob er krank wäre. Er wäre so ruhig und er wirkt so lethargisch. Nein, es wäre unsere Schuld. Wir würden uns nur unter einander auf Deutsch reden und uns gar nicht mit ihm unterhalten. Der Guide muss jetzt auch noch von uns unterhalten werden? Wir hatten den Kanal voll und waren froh, dass wir wieder zurückfahren. Die Moskkito-Bar wartete auf uns. Das Essen war wieder legendär und die Drinks auch.
Dann begann der Schreckenstag. Die Nacht war Stromausfall und wir sammelten unser Hab und Gut im Dunklen ein. Wir standen schon auf dem Flughafen, ich schaute in meinem Rucksack nach, wo mein iPod ist und in dem Moment fiel mir ein, dass ich ihn unter das Kopfkissen gelegt hatte. Ich fluchte und wir beschlossen auf den Nachmittagsflug zu wechseln, während Franzi und André schon nach La Paz zurückdüsten. Der Player war noch da, aber auf dem Weg zum Hotel verlor Kriszta noch ihre Jacke, die nicht wieder aufzufinden war.
Als sich der Nachmittag näherte, zogen dunkle Regenwolken auf und der Wind verschärfte sich. Durch dieses Wetter mussten wir durch. Es schaukelte extrem, wir hatten Todesangst. Wir durchflogen etliche Luftlöcher, die uns ganz schön nach unten rissen. Im Cockpit piepten ständig Warnsignale. Um uns herum waren nur Wolken. Die Piloten deuteten mit den Händen auf die Richtung, wohin sie fliegen sollten. Hatte ich erwähnt, dass man mit solchen Maschinen auf Sicht fliegt? Über die Anden? Irgendwie waren wir dann durch die Berge durch und es wurde ruhiger. Als wir wieder in La Paz landeten, war wieder schönes Wetter.
Auf dem Flughafen von Rurrenabaque entdeckte ich noch den Grund, warum die Touren so teuer waren: Es wurde ein Beschluss gefasst, dass der Mindestpreis für 3 Tage Tour 100 Euro sind, um die Qualität zu gewährleisten. Sonst nichts – nur der Preis war der Garant für mehr Qualität. Und was wir für Qualität bei Balatours bekommen haben, steht ja da. Auf unsere Beschwerden im Büro wurde nur geantwortet: Ihr habt ja doch die 10% Rabatt bekommen. Nie wieder Balatours!
Nachtrag 2024
Während wir uns nach einer Tour damals umsahen, hörten wir immer wieder, dass es extra Camps für Israelis geben soll. In unserer Zeit im Dschungel hörten wir abends im Lärm von Nachbarcamps. Auf Frage erfuhren wir – das sind die Israelis. Wir wollten mehr wissen, was geht da ab? So hörten wir, dass es spezielle Touren für die Israelis gibt, wo sie darauf bestehen Tiere zu jagen, z.B. Capybaras und dann zu essen. Damals schüttelten wir die Köpfe und verbuchten das irgendwo zwischen Urban Legends und Antisemitismus. Dass Israelis in Südamerika bei den Einheimischen nicht sehr beliebt sind, weil sie laut sind und sich daneben benehmen, konnten wir zu großen Teilen schon bestätigen.
Kriszta hatte schon vor einiger Zeit gehört, dass es da mal einen Israeli gab, der als Legende gilt, weil er sich durch den Dschungel geschlagen hat. Seit dieser Geschichte ist es bei den jungen Israelis sehr beliebt, nach dem Militärdienst für eine Zeit nach Südamerika zu reisen und Abenteuer zu erleben. Nachdem wir den Film „Jungle“ von 2017 mit Daniel Radcliffe gesehen hatten, gewannen wir einen Einblick in diese Geschichte. Und plötzlich ergab alles Sinn.
1981 machte sich Yossi Ghinsberg mit einer kleinen Gruppe auf den Weg am Fluß entlang von La Paz nach Rurrenabaque. Ganz auf sich allein gestellt, nur mit leichtem Gepäck. Sie aßen, was sie fanden und was sie jagten. Nach ein paar Tagen trennte sich die Gruppe, weil es gesundheitliche Probleme gab. Ein Teil wollte zurück nach La Paz, der andere nach Rurrenabaque. Yossi fuhr mit Kevin auf dem Fluss weiter. Sie gerieten in Stromschnellen und wurden getrennt. Danach ging Yossi im Dschungel verloren und wurde dann fast verhungert von Kevin drei Wochen später gefunden.