Indien sieht sich als der große Bruder von Nepal und wenn man genau hinschaut, ist es ähnlich wie in Nepal, nur in größerem Maßstab.
Indien – Wirtschaft und Politik: In der Zeit, wo wir in Indien waren, war auch Präsident Barack Obama in Indien. Die englische Version der indischen Times beschäftigte sich sehr genau mit dem Besuch. Vom Zeitplan des aktuellen Tages, über die Kleidung der First Lady bis hin zu den Aussagen wurde dem US-Präsidenten sehr genau auf die Finger geschaut.
Zwischen den Zeilen konnte man lesen, was den Indern wichtig war: die Beziehung zu Pakistan (Obama hat sich geäußert, dass Indien einen positiven Einfluss auf Pakistan haben soll, was irgendwie nicht so gut ankam), Förderung Indiens in den Bereichen Ökologie, Landwirtschaft, Wettervorhersage und Indiens Einfluss im UN-Sicherheitsrat. Natürlich wurde dem Präsidenten auch vorgeführt, wie modern und fortschrittlich Indien ist. Deswegen wurde ein Internet-Video-Konferenz mit einem abgelegenen Dorf geführt, dass sich freut, jetzt Probleme und Bedürfnisse nach außen kommunizieren zu können.
Schaut man sich die Städte genauer an, erscheint diese Konferenz lächerlich. Delhi baut zwar mittlerweile eine Metro, aber die Probleme sind grundlegender. Wasserversorgung ist stellenweise mit Handpumpen realisiert und in Agra fließt die Kanalisation in kleinen Bächen neben dem Fußweg. Obama bewunderte zwar, dass die Hälfte der indischen Bevölkerung unter 30 Jahren ist, aber ein Gesetz zur Regulierung des Bevölkerungswachstums wird zwar diskutiert, ist aber noch weit entfernt.
Indien – Umwelt: Wenn wir den neugierigen Indern erzählten, dass wir aus Nepal kommen, rümpften sie ihre Nasen. Es wäre sehr dreckig dort. Tatsache ist, dass Indien als großer Bruder Nepals in Sachen Dreck die Nase weit vorn hat. Die Indien sind der Meinung in den Wintermonaten wäre es immer sehr neblig, doch man sieht und merkt es der Luft sehr genau an – es ist Smog. In Delhi bedeutet es – nach ca. 500m ist die Welt zuende. Vom Red Fort in Agra kann man das Taj Mahal sehen, aber auch nur sehr vage.
Wer im Laufe seiner Indienreise mal in die Nähe eines Bahnhofs gekommen ist, wird vielleicht verstehen, dass auch in Indien nicht die Touristen für den Dreck verantwortlich sind, denn durch die Kontingente stehen nur eine Handvoll Touristen am Gleis, der Rest sind Einheimische. Aber näher als einen halben Meter sollte man den Gleisen nicht kommen, denn es zieht dann ein Gestank auf, der alles bisher gerochene in den Schatten stellt. Mancherorts wird dann auch mit einem Wasserschlauch der Müll beiseite gespült, aber nicht es dem Gleisbett entfernt, was dann auch dafür sorgt, dass sich die eine oder andere Ratte herumtreibt.
Indien – die Menschen: Der erste Eindruck der indischen Bevölkerung mag täuschen, aber er hält sich hartnäckig. Da den Indern über mehrere Ecken bekannt ist, wie es in der westlichen Welt zugeht, möchte man auch ein Stück vom Kuchen abhaben und das auf hartnäckigste Art und Weise. Es geht natürlich weit über das übliche Anbieten von Diensten, die man grad nicht braucht („Where do you go?“). Je näher der Rikschafahrer an das Bahngleis herankommt, um so hartnäckiger wird er. Man mag zwar glauben, dass der Konkurrenzkampf einen günstigen Preis ermöglicht, aber das ist eine Illusion. Wir haben mehrere Möglichkeiten erlebt, wie man den Frust des Touristen hemmungslos steigern kann.
- Kommt man spät abends am Bahnhof an, hat man schlechte Karten. Die Konkurrenz ist schon schlafen gegangen und der ohnehin schon hohe Preis, den es kosten würde, steigt ums Dreifache. So erlebt in Agra, wo wir für eine Rikscha statt den tagsüber üblichen 50 Rupien plötzlich 150 Rupien zwischen Bahnhof und Taj Mahal löhnen mussten.
- Merkwürdig sollte einem auch vorkommen, wenn sich ein zweiter Inder zu dem Rikschafahrer gesellt und der Preis schon initial sehr niedrig ist. Wenn man jetzt ein touristisches Ziel nennt, hat man verloren. Denn sobald die Fahrt losgeht, wird man vollgequasselt, dass man die Möglichkeit hat, für einen kleinen Aufpreis eine Führung zu den Sehenwürdigkeiten zu bekommen. Leider gehört das Ziel, was man eigentlich besuchen möchte, nicht zu den Sehenwürdigkeiten. Erlebt in Jaipur, wo wir zwischen Guesthouse und Hawa Mahal nur 40 Rupien zahlen sollten und für weitere 50 Rupien eine Führung zum Jal Mahal und zu Elefanten bekommen sollten. Hawa Mahal gehört aber nicht zur Führung und als wir dann doch nicht zu seinen auserwählten Zielen wollten, stellte sich der zweite Inder schwer beleidigt, er hätte doch so gute Referenzen von anderen Touristen bekommen.
- Der absolute Schocker war natürlich, als ein Motorrikschafahrer sein Taxameter anschaltete – sollte es tatsächlich noch ehrliche Menschen geben? Nein, aber nicht doch… Denn aus Strecken von zwei Kilometern wurden durch großzügige Umfahrungen fünf Kilometer. Kein Problem, selbst der Preis ist noch laut Taxameter sehr erschwinglich. Nur doof, wenn der Rikschafahrer auf einmal eine Liste ausgräbt, die den tatsächlichen Fahrpreis pro Kilometer enthält – das Taxameter diente nur zum Zählen der Kilometer. Natürlich wird dann noch ein Kilometer draufgeschlagen. Als wir mit unserer Diskussion einen nahestehenden Polizisten anlockten, wurde schnell am Taxameter gefummelt, es stand wieder der Ausgangspreis da. Dumm für den Rikschafahrer, dass wir zu zweit waren und unsere zwei Aussagen gegen die eine des Rikschafahrers stand.
- Einen letzten Hauch von Gerechtigkeit erlebten wir, als wir eine Rikscha zum Hotel nehmen wollten und es plötzlich statt der 40 Rupien auf den Hinweg hieß: 100 Rupien. Auch diesmal lockte die Diskussion einen Polizisten an, der den Rikschafahrer nach Strich und Faden zusammenstauchte und zu uns sagte: Es sind nicht mehr als 2 Kilometer bis zum Hotel und zahlen sie auf keinen Fall mehr als 30 Rupien. Auf einmal ging die Fahrt sehr schnell und das Taxameter meinte: 20 Rupien. Als wir die 20 Rupien nach vorn reichten, versuchte der Rikschafahrer eine letzte Diskussion, doch wir ließen ihn einfach stehen. Wir hatten genug davon.
Ehrlich gesagt, kann man es den Indern nicht übel nehmen, dass sie die Touristen übers Ohr hauen wollen, denn sie bekommen es schon von offizieller Seite vorgemacht. Eintritt ins Taj Mahal für Einheimische: 10 Rupien, für Touristen: 750 Rupien. Dieser Text steht auch noch dreister Weise in Englisch am Ticketschalter, damit man es auch noch richtig unter die Nase gerieben bekommt. Noch ein Beispiel gefällig? Eintritt für Einheimische in die Moschee Jama Masjid: 0 Rupien. Für Touristen steht ein Schild da, was man beachten muss und wenn man Bilder (auch mit dem Handy) machen möchte, löhnt man 200 Rupien. Wir zogen brav unsere Schuhe aus, als eine Stimme ertönte: „Two hundred Rupies, please!“ Ich zeigte leere Hände „We have no camera!“. „Come here, we control your bag!“ Ja, zeig mir mal den Touristen, der nicht irgendwo eine Kamera hat und sei es auch nur ein Handy mit Kamera. Obwohl wir drauf bestanden, keine Fotos zu machen, führte kein Weg dran vorbei – wir sollten zahlen.
Was ich in dem kurzen Zeitraum gelernt habe, wie die Pest zu hassen – die Bürokratie in Hotels / Guesthouses. Es gibt ein dickes Buch, in das sich die Ankömmlinge eintragen dürfen. Aber nicht nach dem Prinzip „Unterschreiben Sie hier, lassen sie ihren Pass da, wir erledigen den Rest“ – Nein, alles schön selbst ausfüllen, angefangen von der Wohnadresse, Herkunft, nächstes Ziel und Telefonnummer muss alles angegeben werden. Dann wird noch eine Kopie des Reisepasses gemacht und es folgen noch zwei weitere Formulare. Keine Ahnung wozu…
Einziger Lichtblick war unsere Zugfahrt von Agra nach Delhi, wo wir zusammengepfercht im Abteil saßen und uns die vier Stunden mit Indern unterhielten. Mein Urteil war: Der gemeine Inder hat das Herz am rechten Fleck, ist aber ein wenig naiv, macht was ihm gesagt wird und denkt nicht über die Folgen seines Handelns nach. Je nach Bildungsstufe sind die Inder auch sehr weltoffen und keinesfalls entsetzt, wenn man nicht verheiratet ist, geschweige denn keiner Religion zugehörig ist, wie es einem die Reiseführer glauben machen wollen. Grundtenor: Der Mensch zählt. Sehr witzig war auch, wie wir einem Mediziner, der zu einer TBC/Lungenkonferenz nach Berlin flog, das Konzept von Sommer- und Winterzeit erklären wollten, was er sehr „confusing“ fand.
Indien und seine Mystik: Ich habe während unserer Reise das Buch „Meine Freundin, der Guru und ich“ gelesen. BTW halte ich den deutschen Titel von sowas von blöd gewählt, denn sie ist weder seine Freundin, noch kommt ein Guru drin vor – der englische Titel lautet dafür treffender „Are you experienced?“, was den Kern der Sache trifft. Jedenfalls taucht dort der Konflikt zwischen denen auf, die westliche Werte vertreten und denen, die sagen, dass man die spirituellen Werte abseits der Touristenwege kennen lernen muss, um Indien so richtig erlebt zu haben.
Gut, wir hatten nur 3 Tage in Indien Zeit, aber sind wir doch mal ehrlich… Wenn jemand nach Deutschland für drei Tage kommt, würdest du ihm empfehlen, drei Tage nach Kolmsdorf zu fahren, um mit den Einheimischen eine Brotzeit bei einem Weißbier zu genießen oder würdest du sagen: Fahr nach Berlin, München und Dresden und schau dir ein paar schöne Städte an? Natürlich bin ich mir bewusst, dass es ein Leben abseits der Touristenfallen gibt und dass dieses voller Spiritualität stecken mag, aber leider war unsere Zeit knapp. Um es aber auf den Punkt zu bringen: Wonach bewertet man ein Land? Nach seiner Bevölkerung? Wie es sich an offiziellen Plätzen präsentiert? Oder nach dem Reichtum seiner Geschichte?
Indien – kulinarisch: Ich musste schmunzeln, als ich las, dass in der aktuellen 4 Seasons ein Bericht über eine Reise per Pedale von Delhi nach Nepal steht, der damit beginnt, dass man sich die ersten Tage erstmal kulinarisch an Indien gewöhnen muss (Durchfall). Diese Probleme hatte ich nicht, aber auch gerade in Indien gilt: kein Fleisch! Schlimmer als in Nepal wird man in Indien mit unterschiedlichen Bezeichnungen für gleiche bzw. ähnliche Gerichte konfrontiert. Beispiel: Dosa, Chapati, Nan, Papad und Puri – sind letztendlich alles Fladenbrote, je nach Region, Art des Mehls bzw. Zubereitung. Das kann schon verwirrend sein, denn mit den Speisen sieht es nicht anders aus.
Wer auf Nummer sicher gehen will, nimmt die indische Version dessen, was der Nepalese als Dal Bhat kennt: Thali. Thalis sind auch wieder von Küche zu Küche verschieden, was Menge und Vielfalt betrifft. Manche servieren weniger Auswahl, dafür mengenmäßig mehr, manche bieten eine große Vielfalt, aber wenig an. Wie auch in Nepal waren Fladenbrot, Reis, Dal und Curry immer dabei, manchmal hatte ich auch sauer Eingelegtes oder Joghurt dazu.
Ich hoffe, mit dem Beitrag konnte ich dem ein oder anderen erfahrenen Indienreisenden ein Schmunzeln entlocken und anderen Neulandentdeckern einen Hinweis geben: Achtung, bitte hier aufpassen!