Nachdem wir den Tag mit unserem Ausflug in Datong verbracht haben, geht es mit dem Softsleeper weiter nach Pingyao. Was wir hier anschauen wollen, reicht eigentlich auch, um einen Tag zu bleiben und abends weiter zu fahren. Wir bleiben aber zwei Nächte.
Zuerst einmal ein paar Hintergrundinformationen zu Pingyao. Für chinesische Maßstäbe ist Pingyao eine Kleinstadt. Gerade mal eine halbe Million Einwohner. Das Spezielle daran ist das historische Stadtzentrum. Dieses ist so ursprünglich erhalten, wie man es sich nur vorstellen kann. Innerhalb der Stadtmauern ist das Fahren für Autos und Transporter tagsüber verboten.
Die Schwierigkeit beim Besuch von Pingyao ist unsere Weiterfahrt nach Xi’an. Da wir mitten auf der Strecke sind, ist es schwierig an Softsleeper-Tickets zu kommen. Alles läuft über die Chefin vom Harmony Hostel. Und die möchte, dass ihre Gäste lieber einen Tag länger bleiben, als sofort weiterzureisen. Deswegen haben wir schon zwei Nächte vorgesehen, damit wir sie milde stimmen.
Wir kommen morgens in Pingyao an. Da wir das Hostel schon vorab gebucht haben, werden wir vom Bahnhof abgeholt. Es ist noch sehr früh am Morgen und wir dürfen noch bis vor das Hostel fahren. Dort bekommen wir ein wunderschönes Zimmer, dessen Bett von Wand zu Wand reicht. Darauf steht ein kleines Tischchen mit allem, was man zum Tee trinken braucht. Wir fühlen uns sofort wohl.
Wir schlafen noch etwas und machen uns dann auf, die Stadt zu erkunden. Wirklich viel zu sehen gibt es nicht, die Innenstadt ist größtenteils für Tourismus ausgelegt, d.h. viele Läden und viele Gaststätten. Ziemlich schnell kristallisieren sich zwei Läden heraus, die uns besonders ans Herz wachsen.
Das wäre zum einen das Restaurant, wo wir immer wieder essen gehen. Ein kleines Restaurant mit einer jungen Chinesin als Bedienung und ihrem Vater (?) als Koch. Wir probieren, so viel wir können. Kriszta schmecken die süß-sauren Lotuswurzeln besonders gut. Da sehr wenig Leute dort sind, haben wir immer Zeit mit ihr zu reden. Im Hintergrund läuft entspannende chinesische Popmusik. Als wir danach fragen, führt sie uns nach dem Essen quer über die Straße zu einem Musikladen, der CDs brennt. Dort bekommen wir eine originale gebrannte Kopie.
Der zweite Ort, wo wir uns in Pingyao wohlfühlen, ist der Teeladen. Wie wir bereits zuvor mitbekommen haben, gibt es an jedem größeren öffentlichen Platz und auch in Restaurants kostenlos heißes Wasser. Die Chinesen haben immer Trinkbehälter mit, die sie nachfüllen und weiter trinken. Im Teeladen erfahren wir, dass der gute Tee in China bleibt, während der „Rest“ ins Ausland verkauft wird. Das merken wir, denn der Tee schmeckt hier spürbar besser. Er verliert auch keine Qualität, wenn man ihn am Tag 3-4mal aufgießt. Im Gegenteil, es wird uns sogar empfohlen.
So kommt es, dass wir hier sehr viel Tee kaufen und so mit mehreren Dosen Tee die Heimreise antreten. Außerdem erfahren wir mehr über die Mentalität in China. Die Inhaberin hat den Laden auf 10 Jahre im voraus gemietet, weniger wäre unbezahlbar. Damit sie die monatliche Miete von 2000Yuan aufbringen kann, arbeiten sie und ihr Mann von früh bis spät im Laden. Sieben Tage die Woche. Ihre Tochter ist bei ihren Eltern und sie sehen sie nur in den Ferien.
Bei ihr haben wir dann auch den Behälter zum Trinken geholt. Den ersten Einsatz hat er, als wir am ersten Nachmittag uns Fahrräder ausleihen und zum 7 Kilometer entfernten Shuanglin Tempel fahren. Der Weg dahin ist beschwerlich, denn immer wieder fahren LKWs, die mit Kohle beladen sind, an uns vorbei und stauben uns ein. Der Tempel ist wenig spektakulär. Dafür können wir uns unbehelligt umsehen und sehen bei den Restaurationsarbeiten zu. Wir hatten Atemschutzmasken auf der Fahrt an und konnten nach der Rückfahrt an unserer weißen Mundpartie sehen, wie effektiv sie waren.
Uns stand auch der Sinn nach einer Massage in der Zeit in Pingyao. Wir fanden ein Schild mit der Aufschrift „Foot Massage“ und gingen zielstrebig hin. Wir landeten im Wohnzimmer einer Familie. Die Mutter rief noch ihre Tochter an und schon ging es los. Nach einer Weile kam ein besser gekleideter Herr herein, der unterwürfig gegrüßt wurde. Der stellte uns diverse Fragen zu unserer Reise und unserem Aufenthalt. Er kam uns ein bisschen wie ein Parteisekretär vor. Während der verbleibenden Zeit sahen wir uns um und beobachteten. Der Familie ging es nicht schlecht, aber eins fanden wir befremdlich.
Die Kinder chinesischer Eltern machten hin, wo ihnen der Sinn stand. Deswegen sind ihre Hosen auch unten offen. Wenn sie müssen, hocken sie sich hin und lassen es laufen. Bus, Bahn oder im Wohnzimmer auf den Steinfußboden während die Mutter massiert. Schon in den Zügen war uns aufgefallen, dass neben der Tür immer ein Wischmop stand. Jetzt war uns klar, wofür der da war.
Am zweiten Tag gingen wir wieder in den Teeladen, um weitere Teesorten zu probieren. Dabei erzählte uns die Inhaberin, dass heute Abend ein Theaterstück über die Geschichte Pingyaos aufgeführt wird. Sie würde als Einheimische die Karten vergünstigt bekommen. Wir sagten sofort zu. Es war toll, auch wenn wir überhaupt nichts verstanden haben (nicht mal inhaltlich). Dafür war es schön zu sehen, wie sich die Einheimischen begeistert haben und mitgemacht haben.
Ich glaube, Pingyao ist auch der Ort, wo ich die meisten Beulen eingesammelt habe. Das hat einerseits mit chinesischem Aberglauben zu tun, als auch mit dem Körperbau. Die Chinesen glauben, dass die bösen Geister nur gerade aus laufen können und keine Knie haben. Deswegen wurden alte Brücken nur im Zickzack gebaut und deswegen gibt es Türschwellen, wie zu unserem Zimmer, die einen halben Meter hoch waren. Dazu kommt noch, dass der obere Türrahmen auf ungefähr 1,70m war. D.h. wenn ich zur Tür reinwollte, musste ich den Kopf einziehen und einen großen Schritt machen. Synchrone Aktivitäten sind manchmal kompliziert, deswegen habe ich mir wahlweise das Bein oder den Kopf angeschlagen.
Am letzten Tag erhalten wir endlich unsere Zugtickets. 23 Uhr geht der Zug weiter nach Xi’an. Also haben wir noch einen ganzen Tag hier. Wir setzen uns vors Hostel und beobachten die Leute, gehen essen und schreiben Bericht. An dem Tag ist noch eine Beerdigung. Ein langer Trauerzug zieht an unserem Hostel vorbei, alles ist bunt geschmückt.