Nach dem ganzen Umzugstheater hatten wir uns endlich mal etwas Ruhe verdient. Wir wollten nochmal Wärme, aber es sollte sich in einem bezahlbaren Rahmen abspielen. Also buchten wir für unter 400 Euro eine Woche Pauschalurlaub in Marokko mit Flug ab Nürnberg.
Da wir uns genau kennen und wissen, dass wir nicht lange an einem Ort ruhen können, besserten wir den Urlaub mit einem individuellen Trip nach Marrakesch auf. Dort buchten wir ein Riad, ein Haus mit Innengarten.
Die Flugzeiten waren auch sehr angenehm, es ging um 9 Uhr in Nürnberg los, d.h. inkl. Zeitverschiebung Mittag 12 Uhr in Agadir. Mit dem Transfer hatte auch alles geklappt. So konnten wir Agadir entdecken gehen, was wir neben sonnen und lesen auch ausgiebig machten.
Wir kamen schnell zu vielen Erkenntnissen. Zum einen, dass Agadir wirklich nur ein Badeort ist. Der Strand ist von Hotelketten mehrreihig umsäumt und danach schließt sich die Stadt und der Stadtrand an. Laut Wikipedia hat Agadir knapp 700.000 Einwohner. Wenn man historisch zurückblick, hatte Agadir 1960 gerade mal 50.000 Einwohner, wobei 10.000 – 15.000 durch ein schweres Erdbeben umkamen. Das heißt – Agadir hat kaum historische Gebäude (von der Kasbah mal abgesehen) und dient nur einem Zweck: Tourismus. Es gibt eine Handvoll Straßen, die zwischen den Hotels liegen und touristengerechte Läden haben – mit der Aufschrift: fixed price.
Verlässt man das Touristenviertel wird man mit der öden Wahrheit konfrontiert – Agadir ist langweilig. Wir sind mehrfach durch die Stadt gelaufen, haben den Souk besucht, das eine oder andere Restaurant besucht, aber im Großen und Ganzen bleibt nur eine staubige Erinnerung. Auch trifft man außerhalb der Hotelketten kaum Touristen an, wenn überhaupt, wird man von einem Reisebus aus bestaunt, als wäre man selbst eine Attraktion. Auf dem Transfer zurück haben wir die anderen Touristen mal so belauscht. Da wird einem Angst und Bange, wenn man hört, was die so zusammenspekulieren.
Aber wir lernten in den ersten Tagen die Grundregeln:
Feilschen
Grundsätzlich kann man durch gutes Feilschen den Originalpreis um gut 2/3 senken. Man fragt erstmal, wieviel es kostet – bei Dienstleistungen ist es vielleicht gut, wenn man im Hotel fragt, wohin was möchte, die sagen einem schon einen realistischen Preis. Ein Beispiel: Ein Tuch – gute Qualität, Erstpreis: 600 Dirham, entspricht der Faustregel ungefähr 60 Euro (der Kurs ist ca. 1 Euro : 11 Dirham). Man hört dann viele Ausreden, von wegen Handarbeit, keine industrielle Ware, schlechte Zeiten, man würde schon einen speziellen Preis machen usw. Nicht abbringen lassen, notfalls tun, als ob man geht – man bekommt das Teil für 200 Dirham.
Die Feilscherei hat natürlich drei Schattenseiten: man wird erstmal in den Laden „gezogen“, sobald man sich für etwas interessiert. Zweitens: Wenn man während der Feilscherei die Lust verliert oder der Gegenstand doch nicht so richtig passt, wird es schwer den Laden wieder zu verlassen und drittens: In jedem Laden geht das Spiel von vorn los…
Strandverkäufer
Vielen kann man schon aus der Ferne zu verstehen geben, dass man nichts will. Die meisten respektieren das und kommen auch im Laufe des Tages nicht wieder auf einen zu. Gleiches gilt auch für diejenigen, die einen doch ansprechen. Ein kategorisches „Nein“ reicht, viel wirkungsvoller war meiner Meinung nach das Zeichen mit dem hin- und herbewegten Zeigefinger. Wenn man doch was will… feilschen halt.
Essen und Trinken
Kein Alkohol, da religiös bedingt und wenn dann teuer. Dafür lieber marokkanischen Tee probieren: 50% Pfefferminze / 50% Grüntee, mit viel Zucker – macht süchtig! An jeder zweiten Ecke gibt es eine Patisserie, die unglaublich viele Leckereien anbieten. Zum Teil sehr süß und mit viel Nuss. Aber echt eine Verführung fürs Auge – die Leckerteilchen werden abgewogen und zum Kilopreis von 120-130 Dirham pro Kilo verkauft. Muss man mal probiert haben. Ansonsten gibt es viele Spezialitäten, zum Beispiel die Harira, eine Tajine und natürlich sämtliche Variationen von Couscous. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass außerhalb gelegene Restaurants froh sind, wenn man sie wieder beehrt. Unsere Rechnung fiel beim zweiten Besuch niedriger aus.
Fahrten von A nach B
Kurzstrecken – laufen oder Taxi (sogenannte Petit Taxis). Preis im Hotel für die Strecke erfragen, gibt eine Grundlage beim Feilschen. Längere Strecken mit Sammeltaxi (bis zu 6 Leute in einem alten Mercedes) oder die öffentlichen Busse (CTM, Supratours, Pullman usw.). Natürlich hat man dann unbezahlbare Erlebnisse: vom Busbahnhof, wo verschiedene Orte ausgerufen werden (man versuche Marrakesch 3mal in 1 Sekunde zu sagen, klingt dann wie: Marrkch mit gerolltem R) über die Ausblicke auf marokkanische Lebensweise in den kleinen Orten oder nachts auf die Milchstraße, wenn man gerade durch den Antiatlas fährt.
Einmalig ist, wenn ein Bus der Konkurrenz liegenbleibt und ein Mann mit einem Tafelmesser auf den Bus losgeht und sich sofort eine Traube von Menschen darum bildet. Man muss in dem Fall natürlich tolerant sein – also eine Abfahrtszeit von 8 Uhr heißt mit Sicherheit, es geht ungefähr 8.30 Uhr los. Wenn der Bus eine Macke hat, fährt man sicherheitshalber nochmal eine Stunde in die Werkstatt – mit allen Passagieren, ohne Hinweis. Und das schweißt zusammen – wir sind nie wie andere Menschen (besser oder schlechter) behandelt wurden.
Sprache / Hilfe
Primäre Sprachen in Marokko: Arabisch und Französisch. Französisch ist wirklich von Vorteil. Deutsch und Englisch hilft bei Straßenverkäufern weiter – die wollen ja auch was verkaufen, aber wenn man dann vor der Bediensteten im Riad steht, die wirklich nur Arabisch und Französisch spricht, wird es kompliziert.
Agadir
Aber nun etwas zu unseren Erlebnissen in der Woche. Mit dem Hotel Argana hatten wir eine gute Wahl getroffen und ein richtig gutes Zimmer erwischt – Blick auf Pool und Meer, leider nur in der 3 Reihe (1. Reihe: direkt am Strand, 2. Reihe: Restaurants, Geschäfte, einige Hotels). Direkt dahinter die große zweispurige Straße wo man guten Anschluss Richtung Kasbah und Busbahnhof hat. Das Frühstücksangebot war etwas flau, aber dafür abends um so besser. Jeden Abend ein andere Thema, abwechslungsreich und für jeden Geschmack was dabei.
Leider wurde uns nach 2 Tagen schon langweilig, also buchten wir die Busreise bei CTM nach Marrakesch und erkundigten uns, wie es mit Essaouira bzw. Taroudant aussieht, aber es gab keine freien Plätze mehr für Sonntag. Also fuhren wir Sonntag früh kurzerhand auf den Busbahnhof, vielleicht hat die Konkurrenz ja Angebote frei – nichts, die hatten nicht mal offen. Also machten wir noch einen ruhigen Tag und verlegten die Reise nach Essouira auf den Montag.
Essouira
Die Reise war … interessant. Jede Menge Kurven, den ersten Teil am Meer lang mit schönen hohen Wellen, danach die Serpentinen hoch und runter. Auf der Heimfahrt hörte man mehrere Kinder husten und Tüten rascheln. Dafür war die Stadt ein Erlebnis… eine Küstenstadt mit historischer Substanz, strahlender Sonnenschein, nicht zu warm, keine Autos hinter den Stadtmauern. Mir hat es dort sehr gut gefallen – es war zwar touristisch erschlossen, aber nicht überlaufen und man wird nicht pausenlos von Händlern oder Kellnern angequatscht. Nachmittags ging es schon wieder heim, mit Sonnenuntergang während der Fahrt, auch sehr schön anzusehen.
Marrakesch
Gleich den nächsten Tag ging es früh auf unseren zweitägigen Trip nach Marrakesch. Die Fahrt war ruhig und problemlos, wenn man auf die Stunde in der Werkstatt absieht. Kaum angekommen, suchten wir unser Riad – ein Taxifahrer sollte uns helfen. Er fuhr uns bis an ein Tor der Stadt und meinte, wir sollten einfach durch das Tor laufen uns immer gerade aus. Problem: es fing einer an, uns zu begleiten und vollzulabern, dass er uns den Weg zeigen kann. Wir ließen ihn irgendwann stehen, irrten noch etwas rum und gingen dann zurück.
Am Busbahnhof keine Hilfe, also fragten wir jemanden der vor einem Hotel aufpasste – Volltreffer, der war wirklich hilfsbereit. Zuerst suchte er auf dem Stadtplan, dann rief er die Nummer des Riad an und fragte, wo es ist. Schließlich organisierte er ein Taxi und beschrieb ihm, wo es hinzufahren hat. Als das Taxi landete, fragte der Taxifahrer zwei Polizisten, die sich einen kleinen Jungen schnappten, der uns zum Riad führte. Hätten wir in Leben nicht gefunden und der erste Taxifahrer lag mit seiner Beschreibung schon sehr richtig. Die Dame im Riad nahm uns in Empfang und warf dem Jungen, der für seine Leistungen 50 Dirham haben wollte mit einem „Pardon“ in unsere Richtung, die Tür vor der Nase zu. Diese Aktion hatte uns 2 Stunden gekostet.
Das Riad Amra war wirklich sehr schön, etwas ungewöhnlich durch das Fenster zum Bad und die fehlende Tür zu selbigem, aber für eine Nacht absolut perfekt – vielleicht durch die Hoflage etwas kühl. Zur Begrüßung gab es einen marrokanischen Tee, echt genial der Stoff, erinnert mich an meine Kindheit und meinen Großvater, der immer Pfefferminztee in der Laube getrocknet hat.
Wir machten uns auf Entdeckungsreise – den Djemaa el Fna, der angeschlossene Souk mit seinem undurchschaubaren Netz an Gassen und Gässchen, voller Angebote an Taschen, Stoffen, Schuhen, Gläsern… alles in allen Farben, leuchtend bunt. Und zwischendrin der Duft von frisch gebratenen Sachen, seien es Fleischspieße, Pfannkuchen oder sonstige Leckereien. So verbrachten wir den Abend und dann ging es den nächsten Morgen durch den Rest der Stadt, die Kasbah, das Museum, die alte Koranschule Ben Youssef, in die Nähe des königlichen Palastes (Fotografieren verboten! Selbst wenn man weg vom Palast fotografiert!) und wieder zurück ins Zentrum.
Da die Haltestelle von CTM blöderweise nicht beim zentralen Busbahnhof liegt, mussten wir durch das gesamte Hotelviertel (außerhalb des Stadtzentrums von Marrakesch) laufen. Ein Taxi hätte es auch getan, aber wir hatten halt noch Zeit. Die Heimfahrt verlief im Dunklen, aber durch den klaren Himmel und die fehlende Beleuchtung im Antiatlas konnte ich die Milchstraße sehen. Abends im Hotel gab es nichts mehr zu essen, wir bestellten noch was zu trinken und fielen ins Bett. Der letzte Tag war mehr oder weniger durch Sonnen gekennzeichnet, ich holte mir noch einen schönen Sonnenbrand zum Abschluss.
Marokko allgemein
Abschließend noch ein paar allgemeine Bemerkungen zu Marokko, die uns aufgefallen sind. Es regnet kaum in Marokko, aber es gibt viel Staub und der setzt sich überall fest. Vielleicht haben es die Marokkaner irgendwann aufgegeben zu putzen oder es einfach akzeptiert, dass es staubig ist, aber man muss sich im Klaren sein, dass es außer Staub, Sand und Steinen und herumfliegenden Plastiktüten nicht viel zu sehen gibt. Selbst die Palmen und Bäume haben eine staubige, im Gebirge die typische rostbraune Patina.
Umweltschutz ist erst noch im Entstehen, aber die Wirkungen der Vernachlässigung sieht man überall, sämtliche Straßenränder sind von Plastiktüten gesäumt, die sich in den Ästen von Sträuchen verfangen haben und wie kleine Fähnchen dem Wind trotzen. Erwachsene wie auch Kinder lassen die Verpackungen von Snacks unmittelbar auf den Fußweg fallen, öffentliche Abfalleimer sind (bis auf Marrakesch) ein Fremdwort.
Und man muss sich im Klaren sein, dass man Sachen sieht, die man eventuell nicht unbedingt sehen. Zum Beispiel, wie Tiere auf Märkten gehalten werden – man sollte sich nicht wundern, wenn sich eine Plastikplane, die auf einer Kiste zu liegen schein, sich plötzlich bewegt, weil sich Hühner darunter befinden. Von der Haltung der Schlangen und der Äffchen auf dem Djemaa el Fna ganz zu schweigen.
Was man überall an den Straßenrändern sieht, sind Mandarinen- bzw. Orangenbäume, die voll von Obst sind. Und genauso häufig sieht man Händler stehen, die Mandarinen und Orangen anbieten, die sehr lecker sind – nur auch mal einen Gedanken daran verschwenden, beides zu verbinden.
Wenn schon Marokko hört, denkt man vielleicht an 1001 Nacht, Märchen, und Sonne, aber trotzdem sollte man sich auch über eins im Klaren werden und darauf weisen einen Reiseführer auch direkt hin: man besucht ein islamisches Land. Ich kann natürlich nicht hinter die Kulissen blicken, aber ein gewisser liberaler Umgang mit einigen Glaubensregeln ist uns schon aufgefallen. Gerade in den Städten sieht man Frauen ohne Kopftuch, aber auch im Gegensatz auch Frauen, wo man gerade durch einen Schlitz die Augen ein wenig sieht und sonst keinen Millimeter Haut.
Und natürlich gibt es auch alle möglichen Mischungen dazwischen, manche nach den Regeln des Hischab gekleidet, manche mit hautenger Jeans, aber mit Kopftuch, was aber der Aura widersprechen würde. Was natürlich auch zu sehen ist: Händchen halten. Pärchen schlendern am Ufer entlang, halten sich die Hände und gelegentlich sieht man sie auch küssen. Also sehr krasse Gegensätze und wir hatten den Eindruck, die Tradition bröckelt…