Dieses Konzert begann schon besonders. Es war das erste Mal, dass ich zu einem Konzert gelaufen bin. Aber bevor ich das Auto in die Stadt geschafft hätte, einen Parkplatz gesucht und gefunden hätte und dann noch zum Live-Club gelaufen wäre, hätte mich das auch locker eine halbe Stunde gekostet. Schon vor dem Einlass hörte ich von anderen, dass es doch besser wäre, die Jacke abzugeben, da es sicherlich tierisch warm werden wird. Demzufolge war die Schlange an der Garderobe länger wie die Schlange am Einlass.
Die Zeit, bis die „Vorband“ begann, betrachtete ich das Publikum, dass sich zusammengefunden hatte. Im Alter von 20 bis 60 Jahren hatte sich alles eingefunden, aber doch mit dem Schwerpunkt weiblich, Mitte 20. Rein optisch war da auch alles von der Supertussi bis zu Soziologiestudentin vorhanden. Bei dem hohen Frauenanteil hatte ich natürlich den strategischen Vorteil, dass ich einen hervorragenden Blick auf die Bühne hatte, auch wenn ich ziemlich weit hinten stand. Mitten im Konzert drängelte sich eine kleine Mittvierzigerin vor mich, die krampfhaft einen Blick auf die Bühne zu erhaschen versuchte. Genialer Gedanke sich möglichst weit hinten hinzustellen, wenn man etwas kleiner ist. Als wenn kein Platz vorn gewesen wäre. Mich störte das nur insofern, dass sie sich im Abstand von 10cm vor mich stellte. Bewegungsfreiheit gleich Null. Einen der begehrten Sitzplätze an der Seite zu ergattern war nicht mehr drin. Den Hauptgewinn zog ich allerdings mit dem Typ schräg hinter mir, der jedes private Detail von Claudia Koreck mit einem „Whoa!“ oder „Yeah!“ kommentieren mußte. Und ich wünschte mir mitten im Konzert sehnsüchtig die Zeiten einer verrauchten Konzerthalle zurück. Kinders, ich habe mir sehnsüchtig Nasenlider gewünscht, besonders als sich vor mir einer aus seiner dicken Strickjacke pellte.
Aber genug über das Publikum gelästert. Nachdem ich meinen Rundblick durch das Publikum beendet hatte, blickte ich ungeduldig auf die Uhr. Mußte bald losgehen. Kurze Zeit später turnte ein etwas beleibter junger Mann auf die Bühne, zupfte an einer Gitarre. Man hätte den Eindruck gewinnen können, ein Roadie nimmt die letzten Feineinstellungen vor. Weit gefehlt, den der vermeintliche Roadie war Mathias Kellner, die „Vorband“. Mit viel Witz, eingängigen Refrains und reichlich Animation zum Mitsingen bzw. Geräusche machen (z.B. ein untotes „Uuaaahh!“ zu seinem Song „Zombie attack“) gewann er noch eine Zugabe und war für mein Gefühl für eine Vorband viel zu schnell wieder verschwunden.
Kurze Zeit später stand dann Claudia samt Band auf der Bühne und es ging mit dem Titel „Dahoam“ los. Nachdem ich auf ihrer Webseite gespickt hatte, konnte ich relativ schnell zu der Feststellung kommen, dass die Songreihenfolge mit der ihrer DVD ziemlich ähnlich war. Zwischen den Titeln gab es immer eine kleine Geschichte, welche Bedeutung der Song hat. Und so stand sie mal mit geschlossenen Augen einsam im Rampenlicht und schon im nächsten Moment befand sie sich völlig aufgedreht hüpfend und tanzend zwischen ihren Musikern. Ihre Band – Andreas „Andi“ Dombert, Andreas „Otto“ Schellinger und Manfred „Manni“ Müller – leisteten hervorragende Arbeit, auch wenn Ottos Kontrabass nie die rechte Lautstärke fand.
Mitten im Konzert beschlich mich ein seltsames Gefühl. Da steht diese junge Frau auf der Bühne, breitet Geschichten aus ihrem Privatleben in aller Öffentlichkeit aus (z.B. wie es ist, einen Mann im lilafarbenen Schlafi mit Eichhörnchen drauf zu empfangen). Das macht sie natürlich sympathisch, weil sie dadurch nicht wie ein Star auf der Bühne wirkte, sondern wie ein Mensch, der Freunden von seinen Erlebnissen erzählt. Nur dass ein paar hundert Freunde anwesend waren. Aber den Gedanken schüttelte ich wieder schnell aus dem Kopf, denn es waren ja eigentlich die Texte und diese geniale Stimme, die mich die CD kaufen ließen. Und mittendrin „Latte macchiato“ – einer der besten Songs überhaupt. Schade, dass der keinen Platz auf der CD gefunden hat, aber hoffentlich auf der nächsten.
Und ebenso schnell wie das Konzert begann, waren die Zugaben auch schon gespielt und mit „Daschn“ erklang ihr letzter Song für den Abend. Fazit: Genial an dem Abend: Claudis Live-Stimme, die Band und die „Vorband“ Mathias Kellner. Schwach an dem Abend: der flache Text von Ottos Wie-sich-die-Band-und-Claudi-kennenlernten-Lied.