Die letzten Tage waren schon irgendwie anders. Ich will nicht sagen befreiend, entspannend oder dergleichen. Aber es ist schon angenehm früh aufzustehen, zu frühstücken, noch eine Viertelstunde durch die Blogs geistern, dann auf Arbeit gehen und so viel Wind um die Ohren zu haben, dass man ganz verdattert ist, wenn ein „Mahlzeit?!“ in den Raum schallt. Bin ich nicht gerade erst gekommen? Und wenn man dann gegen 7 endlich dazu kommt, seine eigenen Aufgaben zu erledigen, ist das fast schon wie Feierabend. Wenn man des Nachts heimkommt und sich nach einem kleinen Snack ins Bett fallen läßt und noch ein wenig liest, dauert es nicht lang und der Schlaf holt einen ein. Interessant wird es dann, wenn man feststellt, dass es bald keine frischen Socken mehr gibt und sich der Inhalt der Küchenschränke als Abwasch stapelt.
So gesehen ist es kein Wunder, dass ich kaum noch zum Bloggen komme, deswegen gibt es einen kurzen Überblick über die Ereignisse der letzten Tage. Die Postcrossingmaschine hat mir wieder mal zwei Postkarten beschert, aber irgendwie klemmt es momentan. Während die ersten Postkarten noch problemlos ankamen, finden sich jetzt mehr und mehr Nutzer, die sich anmelden, Postkarten verschicken, aber die empfangenen Postkarten nicht registrieren. Ergo – ich schreibe, sie „kommen nicht an“ und deshalb empfange ich auch keine Neuen. Erst nach 3 Monaten werden sie auf „expired“ gesetzt und dann hat man die Chance eine neue Karte zu erhalten.
Letzten Donnerstag war bei uns Feiertag – Grund genug, sich abends mit Kollegen zusammen zu setzen und ein Bierchen zu trinken. Schöner Abend und idealer Auftakt für den Feiertag, an dem ich WordPress aktualisiert und die Seele ein bißchen baumeln ließ. Und hatte ich nicht gerade „Extrem laut und unglaublich nah“ begonnen, hat sich dieses Buch auch in die Reihe der gelesenen Bücher eingereiht. Drei Tagebücher, die sich zu einem vereinen, deren Sinn sich auch erst mit der Zeit erschließt, werden konsequent durchgezogen und durch die Geschichte zieht sich die Suche eines Jungen, der das Schloß zu einem Schlüssel sucht und damit den Tod seines Vaters, der am 11. September umkam, verarbeitet. Unglaublich nah wird das Buch, als eins der Tagebücher von der Bombardierung Dresdens berichtet und erzählt wie der Schreiber die Ereignisse am 11. September auf dem Dresdner Bahnhof (hier haben entweder Übersetzer oder Autor unzureichend recherchiert) verfolgt. Und für einen Moment werde ich Teil der Geschichte – ich war auch in der Stadt, als wir vor einem Riesenfernseher stehen blieben (ohne Ton) und die rauchenden Twin Towers betrachteten. War das ein Film? Konnte ja nicht anders sein, es wirkte ja so unrealistisch. Und was das Buch so richtig gut macht, ist die Offenheit des Buches – es wird nicht angeklagt und melodramatisch geheuchelt, nein, es bleibt realistisch und mit der Gestalt des naseweisen Oskar liebenswert.
Nachdem ich damit durch war, begann ich „Die Straße“ von Cormac McCarthy. Nachdem ich mehrfach darüber gelesen hatte, dass sich dieser Endzeitroman ziemlich intensiv mit dem Thema Tod auseinander setzt, wollte ich mehr wissen. Die Vision, die McCarthy zeichnet, ist ein finsteres Thema, dass nahezu jegliches Leben auf dem Planeten ausrottet und die Hauptfiguren, einen Vater und seinen Sohn (der Welt „vorher“ nicht kennt), ständig auf der Suche nach Nahrung und mit der permanenten Angst im Nacken, Opfer des Schemas „Fressen und gefressen werden“ zu werden, südlich zur Küste ziehen läßt, in der Hoffnung, dass es dort wärmer ist. McCarthy benutzt dabei eine Sprache, welche die Tristesse der verbrannten Welt, der grauen Tage und eiskalten Nächte nahe bringt. Gut gefällt mir, dass er sich nicht, wie man anderer Autor in der ausführlichen Beschreibung von Grausamkeiten verliert, das Erwähnen und die Reaktionen sind entsetzlich genug.
Aber um nicht nur die ganze Zeit bei dem kalten, grauen Wetter daheim zu hocken, ging ich am Wochenende ins Kino. „Odette Toulemonde“ stand auf dem Programm. Ein Schriftsteller, intelligent, mit einer erfolgreichen Geschäftsfrau an seiner Seite, die auch noch mit seinem schärfsten Kritiker fremdgeht, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, seine Romane wären etwas für die breite Masse, z.B. Frauen, die Verkäuferinnen und Frisörinnen sind. Und genau eine von diesen – Odette Toulemonde – glaubt an ihn. Der Rest des Film dürfte klar sein, denn er verliert sich genau in diesen schnulzigen, romantischen Klischees, die Inhalt der Romane des Schriftstellers sind. Von daher bleibt mir der Inhalt des Films verschlossen – eine Ode an den Kitsch? Ein Film für die breite Masse? Und nur weil ein paar Lippenstifte zur Musik tanzen, ist der Vergleich zu Amelie bei weitem nicht angebracht. Aber zumindest war die schauspielerische Leistung (Catherine Frot als Odette) überzeugend.
(Eigentlich sollte an der Stelle noch ein Bericht über „Wer früher stirbt, ist länger tot folgen, aber den reiche ich nach.)
Zum Abschluss noch ein wenig aus dem Bereich Musik. Nachdem die ganze Woche Claudia Koreck im Autoradio lief, habe ich mir am Samstag nun endlich die Konzertkarte geholt. Ich hatte mich im Datum geirrt, sie ist am 17.02. in Bamberg. Ich freu mich schon drauf.
Seit einigen Wochen hat die lettische Seite idm-net.lv ihre Tore geschlossen, also werde ich wohl in nächster Zeit verstärkt die Suche nach interessanten Netlabels selbst in die Hand nehmen müssen. Einen kleinen Tipp hatten sie immer parat und man blieb immer auf dem Laufenden. Deswegen hatte ich schon ins Auge gefasst, meine Entdeckungen separat hier zu veröffentlichen – ähnlich zu meiner „Neues aus der Plattenkiste“-Seite. Mal sehen, ob und wann ich mal dazu Anlauf nehme.
„Toulemonde“ heißt soviel wie „Jädermann“… und wenn der Franzose von „Monsieur Toulemonde“ oder „Madame Toulemonde“ spricht, dann meint er, was Luther mit „Hans und Grete“ meinte oder mein Deutschlehrer mit „Lieschen Müller“: den Durchschnittsmenschen. Der hr4 hört, Bild liest und nicht viel denkt…
“Extrem laut und unglaublich nah†und “Die Straße†sind wirklich gut. Wenn Dir das Buch „Die Straße“ zusagt, könnte ich vielleicht auch „Die Stadt der Blinden“ und dann „Die Stadt der Sehenden“ von Jose Saramago anraten.
@Loco: Der gute alte „Otto Normalverbraucher“… Dass „Toulemonde“ soviel wie „Jedermann“ bedeutet, wird auch im Film erwähnt. Mich würde mal eine wörtliche Übersetzung von „Toulemonde“ interessieren!
@Tastatursklave: Danke für die Tipps, ich habe mir mal schnell die Zusammenfassung durchgelesen und bin hochgradig interessiert, klingt wirklich aufregend. Auch der Hinweis auf die fehlende Zeichensetzung ist mir nicht entgangen, was mir auch bei den Dialogen in „Die Straße“ aufgefallen ist. Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, war die härteste Kost in der Beziehung Robert Merles „Der Tag der Delphine“. Dort fehlten kurz nach dem Anfang sämtliche Satzzeichen und Absätze.
Näher dran als „Jedermann“ komm ich nun wirklich nicht, denn „Jedermann“ ist genau die Bedeutung, in der das Wort benutzt wird. Die Wortherkunft heißt soviel wie „alle Welt“, so wie in einem „Allerweltsgesicht“, das bekanntlich ja auch auswechselbar und letztlich profillos ist: könnte ja jeder gewesen sein…
Bingo! Genau das habe ich erwartet 🙂 Das „le monde“ hatte mich irgendwie auf die Idee gebracht, dass da was mit „Welt“ dahinter stehen muss. Danke!